Rezension

Leises Buch über Heimat und Flucht, über die Liebe und das Leben

Letzte Fahrt nach Königsberg - Ulrich Trebbin

Letzte Fahrt nach Königsberg
von Ulrich Trebbin

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Prolog macht uns das vergilbte Foto eines jungen Mannes neugierig, Anlass für den Autor, sich auf Spurensuche zu begeben, die verlorene Heimat der verstorbenen Großmutter wieder lebendig werden zu lassen.

Mit diesem Buch tauchte ich in eine fremde Welt ein, in die des alten Königsberg vor dem 2. Weltkrieg, damals eine geschichtsträchtige Metropole in Ostpreußen mit sieben Brücken über die Pregel, Heimat auch von Immanuel Kant. Wir sehen diese schöne 700-jährige Stadt durch die Augen von Ella, einem lebenshungrigen jungen Mädchen aus gutem Hause. Der Autor Ulrich Trebbin versteht es, mit poetischen Worten ein Bild dieser untergegangenen Stadt zu zeichnen und es wird auch dem Leser, der Königsberg nicht kennt, wehmütig zumute angesichts der verlorenen Schönheit.

Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die zwischen den Jahren vor dem Krieg (1932-1939) und denen danach (1945-1948) hin- und herpendeln, zwischen Ellas erster Liebe, einer unüberlegten Heirat und ihrem späteren Dasein als Flüchtling im Westen, einem neuen Leben dort, wo sie immer eine Fremde bleiben wird.

Viele Fragen und Gedanken durchziehen das Buch und laden den Leser ein, Stellung zu beziehen, z.B. was Heimat bedeutet. Für Ella ist es ein Ort, dessen kleine und große Erinnerungspunkte ein fein gewobenes Netz bilden (175 ff.). Normalerweise kann jeder an solch einen Ort zurückkehren und die Wirklichkeit mit seinen Erinnerungen abgleichen. Bei Königsberg geht das nicht, nie mehr. Es ist für immer verloren. 1944 ließen die Briten Phosphorbomben auf die Stadt regnen, nicht auf strategisch wichtige Punkte, sondern auf die Altstadt und Wohngebiete der Zivilbevölkerung. Wegen seiner Nähe zur Ostsee (eisfreier Hafen) annektierten die Russen diesen Teil von Ostpreußen und übernahmen die Stadt, die heute Kaliningrad heißt und mit ihrer Umgebung eine russische Exklave bildet.

Auch Flüchtlinge sind ein Thema, Menschen, die ihre Heimat verloren haben und die im Westen nicht immer gut aufgenommen wurden. "Es ist kein Verdienst, kein Flüchtling zu sein." (323) Das galt für damals und gilt auch heute wieder.

Ganz nebenbei habe ich durch dieses Buch einiges gelernt, leicht und locker in einer poetischen Sprache mit gut gewählten Metaphern und Vergleichen, gespickt mit osptreußischen Ausdrücken, die man ohne Erklärung versteht ('Er gab ihr einen Butsch auf die Wange') oder die man schon kennt, wie das oft zitierte 'Marjällchen'.

Mag auch die ein oder andere Passage ein klein wenig zu ausführlich geraten sein, so ist es doch ein Lesegenuss, Ellas Weg zu verfolgen, ihre Lebenslust und ihren Lebensmut mitzuerleben, ihren ungebrochenen Willen, das Leben trotz aller Widrigkeiten zu meistern.

Wer Freude an leisen Büchern in schöner Sprache hat, von denen man ganz nebenbei noch etwas lernen kann, für den ist das eine empfehlenswerte Lektüre.