Rezension

Ida Bauer - hysterische Nervensäge oder traumatisiertes Mädchen?

Ida - Katharina Adler

Ida
von Katharina Adler

Bewertet mit 2 Sternen

Um es gleich vorweg zu nehmen: die im Titel meiner Rezension genannte Frage beantwortet 'Ida' nicht. Katharina Adler will in ihrem Roman das Bild ihrer Urgroßmutter als Freuds berühmtester Patientin ergänzen, ihm etwas entgegensetzen. Wer daher erwartet, in 'Ida' mehr über Ida Bauers Sitzungen bei Freud zu erfahren oder eine Erklärung für ihre Hysterien zu erhalten, der geht mit Erwartungen an den Roman heran, die nicht erfüllt werden werden. In Hinblick auf die Psychoanalyse wartet der Roman mit keinerlei Informationen auf, die der interessierte Leser nicht auch in Standardquellen über den 'Fall Dora' erhält. Stattdessen erfährt der Leser einiges über Idas Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und das ihres Bruders, Otto, eines hohen österreichischen Politikers, über das Lebens Idas als Schwester, Mutter, Salon-Inhaberin und über ihre kriegsbedingte Flucht nach Amerika. 

Das wird alles nicht chronologisch erzählt, und auch wenn die Jahresinformationen zu Beginn jedes Abschnittes erwähnt werden, verliert man als Hörer, gerade zu Beginn des Hörbuches, schnell das Gefühl für die Reihenfolge des Erzählten. Petra Morzé, die das im argon Verlag erschienene Hörbuch liest, sorgt mit ihrem österreichischen Akzent zusätzlich für eine gewisse Distanz zum Gelesenen. Zwar passt der Akzent, um den von Katharina Adler hervorragend zur Zeit und damaligen Gesellschaft passend formulierten Text authentisch wirken zu lassen, doch hätte dies, wenn es sich nur auf die wörtliche Rede bezogen hätte, das Hören  wahrscheinlich einfacher gestaltet. Mit 12,5 Stunden Hörzeit ist das Hörbuch auch so lang genug, dass die Aufmerksamkeit auch ohne fremden Dialekt eine gewisse Anstrengung erfordert.

Von den 10 CDs behandeln lediglich 2 Ida Bauers Begegnungen mit Sigmund Freud. Die anderen lassen uns mehr über die (vermeintlichen) Auslöser ihrer Hysterien, und ihr Erwachsenenleben, bis hin ins hohe Alter, erfahren. Das passt natürlich zu Katharina Adlers Absicht, ihre Urgroßmutter als eine Frau mit Ecken und Kanten zu zeigen, die weder als Hysterikerin abgetan noch als Heldin instrumentalisiert werden kann. Angeblich rang Ida Bauer bis zuletzt um ein 'selbstbestimmtes Leben'. 

So leid es mir tut, aber das kann ich dem Roman nicht entnehmen. Ida erscheint mir von Anfang bis Ende als schwieriger, nerviger und unsympathischer Mensch (und durchaus selbstbestimmt!). Einzig ihre Auseinandersetzung mit Freud lässt eine andere, intelligente und selbstbewusste Seite erahnen, doch diese wird im restlichen Text nicht unterstrichen und auch in den genannten Passagen rührt meine Anerkennung ihres Charakters eher aus der Tatsache ihres bekannten Verhaltens an sich, als aus Katharina Adlers Ausführungen. Die politischen Entwicklungen in Österreich und Europa und das Schicksal einer alleinstehenden Frau in diesen Zeiten ist allemal interessant, aber eben auch nicht wirklich unbekannt. Die Frage ist daher: Was will Katharina Adler mit ihrem Roman? Warum ist das Leben ihrer Urgroßmutter es wert, so aufgearbeitet zu werden? Was kann der Leser mitnehmen? Ich für mich habe leider nichts gefunden.
Hätte Katharina Adler den Trotz ihrer Urgroßmutter gegen Freud als Aufhänger genommen und sie darauf aufbauend charakterisiert - das hätte interessant werden können. So aber zeichnet sie ein (in meinen Augen sogar zu) negatives Bild ihrer Vorfahrin, das keineswegs als Würdigung zu verstehen ist. 

Das besondere an Ida Bauer war nun mal ihre Auflehnung gegen Freud. Ihr sonstiges Schicksal haben viele geteilt. Demnach ist sie es auch wert, für ihr Verhalten gegenüber dem Vater der Psychoanalyse erinnert zu werden, doch dem wird Katharina Adler leider vorsätzlich nicht gerecht. Dennoch wird 'Freuds berühmtester Fall' als Aufhänger für die Vermarktung von 'Ida' genutzt. Das passt irgendwie schlicht nicht zusammen. 

Der Schreibstil der Autorin ist toll, aber es ist nicht erkennbar, worum es ihr in ihrem Buch geht. Die Sprecherin des Hörbuches ist leider auch nicht (zumindest nicht für die Gesamtheit des Textes) so gewählt, dass sie den Text durchweg transportieren kann und so bleibt mir nur eine leider enttäuschte Bewertung von 2 Sternen.