Rezension

Berührend und tiefgründig

Die Farben des Windes -

Die Farben des Windes
von Tanja Bern

Bewertet mit 5 Sternen

„...Meine Eltern wollen, dass ich Ärztin werde, am besten eine preisgekrönte Chirurgin. […] Niemand hat gefragt, was ich eigentlich möchte...“

 

Mit diesen Gedanken sitzt Rebecca im kanadischen Ort Wolfberry vor den Bewerbungsunterlagen für die Universität in Calgary. Das wird wohl heute nichts mehr werden. Deshalb geht sie erst einmal in die örtliche Bibliothek. Dort trifft sie zufällig Noah. Der junge Mann gehört zu den Naive Americans, wurde aber als Kind nach dem Tode der Eltern von einem Ehepaar aus Wolfberry adoptiert.

Die Autorin hat einen fesselnden und bewegenden Roman geschrieben. Sie verknüpft darin Vergangenheit und Gegenwart.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist stellenweise sehr poetisch. Allerdings bringt er auch die Probleme der Zeit gekonnt auf den Punkt.

Rebeccas Eltern verbieten ihr den Umgang mit Noah. Vor allem ihr Vater lässt sich dabei zu einigen rassistischen Äußerungen hinreißen. Auch in anderen Situationen wird deutlich, dass Noah wegen seiner Abstammung selbst in heutiger Zeit nicht als Gleicher unter Gleichen akzeptiert wird.

Rebecca aber fühlt sich zu ihm hingezogen. Sie mag es, wie liebevoll er mit Tieren umgeht. Er erklärt ihr:

 

„...Die Eule ist sehr weise und begleitet gern Menschen, die wissbegierig sind...“

 

Noah würde gern Tiermedizin studieren. Die Begabungen und Fähigkeiten dazu hat er, aber nicht die nötigen finanziellen Mittel. So begütert sind seine Adoptiveltern nicht.

Als die Situation eskaliert, verlässt Rebecca das Elternhaus und geht zu ihrer Tante Clara auf die Farm. Der Kontakt war nach einem heftigen Streit zwischen Clara und ihrem Bruder, Rebeccas Vater, abgebrochen. Nun erfährt Rebecca, um was es damals ging. Gleichzeitig wird die Geschichte von Adrian Maywood erzählt, einem ihrer Vorfahren, der bei einem indigenen Volk lebte.

In diesem Zusammenhang erfahre ich eine Menge darüber, wie in Kanada einst mit den indigenen Völkern umgegangen wurden ist. Es war eine Zeit der Flucht und Verfolgung.

Während der überwiegende Teil der Gegenwartshandlung von Rebecca erzählt wird, gibt es einige wenige Abschnitte, wo ich an den Gedanken und Gefühlen von Noah teilnehmen darf.

 

„...Wieder treffen sich unsere Blicke und auf einmal weiß ich, dass es nicht um Worte geht...“

 

Auf den Spaziergängen sowohl in Gegenwart und Vergangenheit darf ich die Schönheit und Vielfalt der Natur in Kanada kennenlernen. Dazu findet die Autorin passende Metapher.

Ab und an kommt eine mystische Note in die Erzählung. Deren Wurzel liegt in den Glauben der First Nations.

Bei Clara hat Rebecca Zeit zum Nachdenken. Auch die Erfahrung ihres Vorfahren berührt sie. Sie erkennt:

 

„...Ich muss selber träumen, einen Weg finden, den nur ich gehen kann, der mich glücklich werden lässt...“

 

Wird sie ihn finden? Haben sie und Noah eine Chance?

Ein Glossar ergänzt das Buch.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, dass Liebe größer ist als Hass und Vorurteile.