Rezension

Abschied bedeutet immer ein wenig sterben. (Franz. Sprichwort)

Abschied von der Heimat -

Abschied von der Heimat
von Gabriele Sonnberger

Bewertet mit 3 Sternen

1929. Aufgrund der Reparationszahlungen an Frankreich leiden die Menschen im Rheinland seit langem unter großem Hunger. Weil sie alle ihre Kinder nicht mehr richtig ernähren können, entschließt sich Mutter Olga schweren Herzens, die 5-jährige Erika für einige Zeit in Böhmen bei ihrer Schwester Mimi unterzubringen, um sie gut versorgt zu wissen. Tante Mimi ist sehr streng und nicht gerade warmherzig, weshalb Erika von großem Heimweh geplagt wird und sich nur sehr schwer einleben kann. Doch mit der Zeit findet sie in Emmi und Oli gute Freundinnen und kommt gut zurecht. Obwohl Erikas Aufenthalt als kurzfristige Lösung gedacht war, bleibt sie viele Jahre in Böhmen und verliebt sich sogar in den Marineoffizier Heinz. Als 1945 der Krieg verloren ist, werden die Deutschen aus Böhmen ausgewiesen, auch Erika und ihre Tante müssen diesem Aufruf folgen…

Gabriele Sonnberger hat mit „Abschied von der Heimat“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der auf wahren Begebenheiten ihrer eigenen Familie basiert und den Leser fesselnd in die düsterste Zeit deutscher Geschichte zurückversetzt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser an Erikas Seite, wo er sie in der Zeit von 1929 bis 1945 begleiten darf. Schon die Entscheidung der Familie, eines ihrer Kinder wegzuschicken, geht einem ans Herz, denn die damalige Situation im Rheinland war für die Menschen unerträglich, die sich und ihre Familien kaum noch über die Runden bringen konnten. Für Erika als 5-Jährige war die Lage ebenfalls furchtbar, denn sie wurde aus ihrem liebvollen Umfeld gerissen findet sich bei einer herrischen, strengen Frau wieder, die wenig Wärme ausstrahlte und sie mit Vorschriften über Jahre malträtierte. Doch Erika hat sich trotzdem gut in die Umstände gefügt und sogar Freunde gefunden, mit denen sie durch dick und dünn ging. Die Erziehungsmethoden ihrer Tante mögen oftmals hart und fragwürdig erscheinen, formten jedoch Erikas Charakter und machten sie zu einer sehr selbstbewussten und eigenständigen Persönlichkeit. Die Autorin hat ihre Handlung mit dem geschichtlichen Hintergrund gut verwoben, so dass der Leser die Ausbreitung des Nazi-Regimes mit den Auswirkungen auf die Bevölkerung hautnah miterlebt, während er Erika beim Heranwachsen zusieht. Etwas verwirrend ist der Widerspruch, denn Erika verliebt sich einerseits in den Marineoffizier Heinz, der sich für die Nazis engagiert und plappert ihm nach dem Mund, auf der anderen Seite lernt sie durch den Tschechen Jakub die wahren Ambitionen der Nazis kennen und engagiert sich für den Widerstand. Das passt nicht so ganz zusammen und schmälert auch die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Auch werden nicht alle Fäden zusammengeführt und sollen den Leser animieren, auch die weiteren Bände zu lesen.

Die Charaktere sind gut ausgestaltet und in Szene gesetzt, mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften binden sie den Leser an sich, der ihnen gerne folgt. Erika ist erst ein eingeschüchtertes Kind, doch mausert sie sich zu einer fröhlichen, selbstbewussten, kämpferischen und kritischen jungen Frau mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Tante Mimi ist eine verbitterte, herrische und unnahbare Frau mit recht egoistischen Zügen, die innerlich mit sich selbst hadert. Aber auch Oli, Emmi, Heinz und vor allem Coelestin haben tragende Rollen in dieser Geschichte.

„Abschied von der Heimat“ ist der Auftaktband einer historischen Trilogie basierend auf wahren Begebenheiten aus der Familie der Autorin, der mit einem Mix aus Familiengeschichte, Freundschaft, Intrigen und Liebe zu unterhalten weiß. Aufgrund einiger Widersprüche und offenen Fragestellungen gibt es hierfür eine eingeschränkte Leseempfehlung!