Rezension

Anschauen, annehmen, loslassen

Wodka mit Grasgeschmack -

Wodka mit Grasgeschmack
von Markus Mittmann

Bewertet mit 5 Sternen

Das unfassbare Leid, das durch die Vertreibung der Deutschen aus den östlichen Gebieten des heutigen Polens in vielen Familien ausgelöst wurde, steckt heute noch vielen Betroffenen in den Knochen. Zu schlimm waren die Erlebnisse, dass darüber nicht oder nur wenig gesprochen werden konnte. Der Schmerz besteht in den nächsten Generationen fort. Um das Schreckliche verarbeiten und zurücklassen zu können, muss es angeschaut werden und angenommen werden. Markus Mittmann hat dieses Thema auf sehr einfühlsame Weise aufgenommen. Aus dem Stoff von etwa 500 Befragungen Vertriebener hat er einen Roman geschrieben. In "Wodka mit Grasgeschmack" reist eine vierköpfige Familie, bestehend aus Mutter, Vater und den beiden erwachsenen Söhnen, in einem VW Beetle in die Dörfer, in denen die Eltern ihre Kindheit verbracht haben. Die Eltern wollen ihre alte Heimat noch einmal wiedersehen. Die Geschichte wird aus der Perspektive des jüngeren Sohnes erzählt, der die Reise auf der Rückbank rechts verbringt. Im Verlaufe der Reise wechseln sich Ereignisse im Jetzt mit Rückblenden in die Vergangenheit ab. Stückchen für Stückchen nähern sich die Vier ihrem Ziel an. Sehr bildhaft und mit wunderschöner Sprache wird erzählt, was in den Protagonisten vorgeht. Der Text berührt sehr tief. Die Leser werden sozusagen mitgenommen auf die Reise  im Beetle. Der eigene Bezug zum Thema bekommt viel Raum, sich zu entfalten.  Dinge werden erinnert, ausgesprochen und beweint. Am Ende der Reise ist den Protagonisten (und auch der Leserin) vielleicht ein Stück Verarbeitung gelungen. Es is ein wichtiges Buch zu einem immer noch bedeutsamen Thema in unserer Gesellschaft.