Rezension

Berührend und bereichernd

Die Regenbogentruppe - Andrea Hirata

Die Regenbogentruppe
von Andrea Hirata

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch ist etwas ganz Besonderes und ich kann sehr gut verstehen, dass es millionenfach verkauft und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Es ist eine Biografie des Autors Andrea Hirata, seine Schulzeit betreffend, der seiner Armenschule in Belitung gleichzeitig damit ein Denkmal setzt.
Diese Schule liegt in Indonesien und in ihr werden die ärmsten Kinder unterrichtet. Auch die Schule selbst ist sehr arm. Nicht einmal die beiden Lehrer bekommen einen Lohn - sie müssen ihren Lebensunterhalt mit anderen Arbeiten nach der Schulzeit finanzieren. Ein Schulgeld kann von den Eltern nicht gezahlt werden. Es ist schon ein finanzielles Opfer, dass sie ihre Kinder in die Schule gehen lassen, denn normalerweise unterstützen die Kinder ihre Familien bereits sehr jung durch Zuarbeiten.
Fast wäre diese Schule schon vor Ikals Einschulung (so wird der Autor im Buch genannt) geschlossen worden, da die vorgeschriebene Schülerzahl nicht erreichbar scheint. Zum Glück erscheint quasi in letzter Minute noch der erforderliche 10. Schüler: ein geistig zurückgebliebener Junge, der bereits deutlich älter als die übrigen ist. Hierzulande wird Inklusion gerade in allen Zeitungen diskutiert - in dieser Dorfschule war ausgerechnet der behinderte Junge der Retter der Schule.
Ein Foto der Schule ist nach dem Prolog in das Buch eingefügt und ich musste schon bei dem Foto schlucken, dass solch ein Gebäude als Schule dienen kann. Im Verlauf des Buches nimmt die Schule wechselnde Zustände an und man fürchtet immer wieder beim Lesen, dass sie der endgültigen Zerstörung anheim fällt.
Dieses Buch schafft einen großen Spagat. Hier ist ein ausgesprochen unterhaltsam geschriebenes Buch entstanden, das man fast ein Sachbuch nennen könnte. Die Regenbogentruppe besteht aus eben jenen 10 Schülern (im weiteren Verlauf 11 Schüler), die ihren Namen von ihrer Lehrerin Bu Mus erhielt, weil sie nach starkem Regen immer auf einen Baum kletterten, um den sich bildenden Regenbogen besser betrachten zu können. Diese Truppe wird vom Autor so lebendig und liebevoll detailliert beschrieben, dass man sich ihnen unmittelbar nahe fühlt. Sie wollen wirklich lernen, um dem Schicksal ihrer Vorfahren zu entgehen und etwas aus sich zu machen. Um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, einen anderen Weg als ihre Eltern zu gehen.
Ein kleiner Junge legt täglich 40 km zurück auf abenteuerlichsten Wegen, teils mit dem Fahrrad, wenn die Strecke teilweise überflutet ist schwimmt und läuft er auch - sogar ein Krokodil auf dem Weg kann ihn nicht schrecken. Überhaupt ist diese Geschichte ein einziger Appell an das Recht auf Bildung für jedes Kind. Für einen Westeuropäer ist dies schwer nachvollziehbar. Das Buch lässt einen Innehalten mit seinen eigenen, teils profanen Sorgen und Problemen und diese Kinder im fernen Indonesien bewundern für ihren Ehrgeiz und ihre Ausdauer. Der Ehrgeiz der meisten hiesigen Kinder beruht eher darauf, möglichst oft um Arbeiten und die Schule herum zu kommen. Eigentlich sollte dieses Buch als Schullektüre eingeführt werden, um den Wert und auch das Geschenk guter Bildung den Jüngeren noch einmal vor Augen zu führen.
Dabei ist dieses Buch meist so leicht und locker geschrieben, dass es einen bei manchem Thema schon verwundern konnte. Dennoch versucht der Autor an keiner Stelle Mitleid zu erwecken. Er berichtet sachlich und keinesfalls rührselig, obwohl man nahezu überall spürt, wie viel Herzblut in seinen Erinnerungen steckt. Auch seine Gefühle bleiben nicht unerwähnt und an mancher Stelle ahnt man, dass es ihn Tränen kostete, es nieder zu schreiben.
Die Fabulierkunst des Autors ist beachtlich. Man möchte einfach weiterlesen und sich entführen lassen in diese so weit entfernte Ecke der Welt. Ich hatte keinerlei Probleme, unverzüglich abzutauchen in die Geschichte, die nicht immer fortlaufend ist sondern eher aus einer Sammlung verschiedener Anekdoten besteht. Mal geht es um das Kennenlernen einzelner Schüler und ihrer Stärken, mal um ein Fest, einen Wettbewerb, den Kreidekauf oder auch die erste Liebe. Was nun einmal alles passiert im Leben eines Heranwachsenden. Eingestreut sind immer wieder Informationen zur Wirtschaft und Politik des Landes sowie zur sozialen Struktur und den erschreckenden Lebensbedingungen der armen Bevölkerung.
Etwas schwer habe ich mich mit dem Schluss des Buches getan, als der Autor einen Bogen von 12 Jahren schlug und dabei erzählte, was aus der Truppe im einzelnen geworden ist. Dies möchte ich natürlich hier nicht erörtern, um niemandem die Spannung zu nehmen. Leider ist das Leben nicht immer so gerecht wie man es sich wünscht. Das Schicksal ist eben manchmal tatsächlich ein mieser Verräter. Ein wunderschönes, berührendes und bereicherndes Buch, das man nicht vergessen wird!