Rezension

Chronik eines Mordes

Geheimer Ort - Tana French

Geheimer Ort
von Tana French

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Ein Abend Anfang November, die Luft fängt gerade an, sich mit kleinen aromatischen Blasen aus Kälte und Torfrauch zu füllen. Sie sitzen zu viert auf ihrer Zypressenlichtung, schmiegen sich in die wohlige Lücke Freizeit zwischen Unterricht und Abendessen. Chris Harper (hinter der Mauer und weit weg, nicht mal das Flüstern eines Gedankens in ihren Köpfen) hat noch sechs Monate, eine Woche und vier Tage zu leben."
In einem Erzählstrang rückt diese Chronik eines angekündigten Todes unerbittlich weiter, beleuchtet das Leben an den beiden Internaten, rückt aber zwei verfeindete Mädchencliquen in den Mittelpunkt.
Chris Harper ist Schüler des Colm, eines Eliteinternats, reich, blendend aussehend, charmant und ungeheuer beliebt - und er weiß dies auch. Eines Morgens wird er mit einer Harke erschlagen im Garten des benachbarten Mädcheninternats St.Kilda aufgefunden. Die Ermittlungen verlaufen im Sande, werden schließlich eingestellt.
Ein Jahr später wendet sich eine Schülerin, Holly, mit einer Notiz an Stephen Moran, einen Ermittler, der ihr von früher bekannt ist. Sie hat sie am sogenannten "Geheimen Ort", einer Pinnwand an der die Schülerinnen des Internats Geheimnisse los werden können, gefunden: "Ich weiß, wer Chris Harper getötet hat."
Anlass genug für Moran, der sich sehnlichst eine Karriere beim Morddezernat wünscht, sich an die damals ermittelnde Kommissarin Conway zu wenden.
Die beiden kehren für einen wahren Vernehmungsmarathon an das St.Kilda zurück, der erst spät am Abend mit der Auflösung des zurückliegenden Mordfalles enden wird. Diese Vernehmungen bilden den zweiten Erzählstrang, der parallel zu den Ereignissen von vor einem Jahr geführt wird.
Tana French benutzt für ihren Roman das klassische Motiv des streng abgegrenzten Schauplatzes - alles spielt sich im oder um das St.Kilda ab - und der schon früh stark eingegrenzten Zahl der Verdächtigen - schon sehr bald wird klar, dass der Täter unter den acht Mädchen zu suchen ist.
Dabei gelingt es ihr vortrefflich, die Spannung auch in den seitenlangen Verhören zu halten. 
Aber die Krimihandlung macht, wie immer bei Tana French, nur einen Teil des Romans aus. 
Ganz zentral ist die Psychologisierung der pubertierenden Schülerinnen, ihres Umgang miteinander und mit dem anderen Geschlecht, ihrer Freundschaftsbünde. 
Aufbau und Sprache sind, wie bei der Autorin gewohnt, sehr gelungen. Lediglich zwei Dinge trüben den Genuss dieses Kriminalromans ein wenig. Da ist zum Einen die ziemlich unmotivierte Thematisierung von paranormalen Fähigkeiten einiger Mädchen. Das wirkt unglaubwürdig und aufgesetzt. Zum anderen konnte der Schluss, auch wenn die Handlung zielstrebig darauf zu lief, nicht überzeugen. Das war eine kleine Enttäuschung am Ende eines ansonsten sehr spannenden, gut geschriebenen Romans.