Rezension

Das Dorf im Nebel

Wenn der Nebel schweigt -

Wenn der Nebel schweigt
von Roman Klementovic

Bewertet mit 4 Sternen

Kurz nach dem Mord an ihrer Mutter hat Jana den Kontakt mit ihrer Familie einschlafen lassen. Unvermutet wird sie zu ihrem Vater gerufen, weil es nicht gut um ihn steht. Im heimatlichen Dorf angekommen verschlägt es ihr den Atem, weil sie ungeheuerliche Entdeckungen macht.

„Wenn der Nebel schweigt“ ist ein Thriller, der ganz in Manier des Autors mit verstörenden Geheimnissen der Vergangenheit spielt. 

Jana hat sich von ihrer Heimat abgeseilt kurze Zeit, nachdem ihre Mutter ermordet wurde. Der Vater stand damals unter Tatverdacht, doch der Mord wurde ihm nie nachgewiesen. 

Plötzlich wird Jana aus dem mondänen Deutschland nachhause ins österreichische Dorf gerufen, weil mit dem Vater etwas nicht stimmt. Sie nimmt sich ein Herz und überwindet sich, die Heimat aufzusuchen, obwohl es ihr allein beim Gedanken daran die Haare aufstellt.

Im Elternhaus angekommen trifft sie der nächste Schock: Das Haus ist zugemüllt, weil der Vater mittlerweile zum Messie geworden ist. Damit ist es nicht genug, denn mitten im grausamen Gestank der Unordnung macht Jana eine Entdeckung, welche eventuell mit dem Tod der Mutter zusammenhängt.

Im Mittelpunkt des Thrillers stehen die Geheimnisse der Vergangenheit, die meinem Eindruck nach, das Markenzeichen des Autors sind. Jana erinnert sich an viele Situationen aus ihrer Kindheit zurück und interpretiert diese als Erwachsene und anhand aktueller Indizien neu.
Meiner Meinung nach hat Klementovic dieses Bewusstwerden großartig beschrieben, weil es abseits einer Thrillerhandlung durchaus der Realität entspricht. Als Erwachsene reflektieren wir die Ereignisse der Kindheit, denken über unsere Bezugspersonen nach und wie die Verbindungen dieser zu anderen Menschen waren. Häufig interpretiert man daraufhin die Fakten der Kinderjahre um, obwohl sie einem in jungen Jahren völlig klar erschienen sind. 

Damit stellt der Autor einen einnehmenden Thriller auf die Beine, der sich um Mord, dörflichen Habitus und familiäre Verbindungen dreht. 

Jana als Figur war für mich nachvollziehbar aufgebaut, auch wenn mir eine ungesunde Angewohnheit auf die Nerven ging. Mir gefiel es, mit ihren Augen das Dorf zu erblicken, mit ihren Erinnerungen abzugleichen und den hiesigen Stillstand oder unerwartete Entwicklungen zu entdecken.

Der Ort selbst sorgt für eine angespannte Atmosphäre, weil er oft von Nebel eingehüllt ist, was deutlich auf das Gemüt der Bewohner drückt. Das Dorf liegt in einer Gegend, die, nach Wetter und Laune betrachtet, keinen Platz unter der Sonne hat. 

Die Handlung war packend aufgebaut und ist in zwei tragende Erzählstränge geteilt. Neben der Gegenwart um Jana, dem Dorf und ihren Vater, erfährt der Leser oder die Leserin, was in der Vergangenheit geschehen ist. Dadurch stachelt der Autor Neugier und Spannung gleichermaßen an. Ich wollte unbedingt wissen, warum die Geschichte für Janas Mutter so schlecht ausgeht. 

Dabei werden viele falsche Fährten gestreut, die für packende Thiller-Unterhaltung bis zum Ende sorgen.

Am Schluss war ich nicht vollkommen zufrieden, weil ich manchmal Janas Entscheidungen nicht verstand und einige Fragen offen blieben, die aber nicht die große Auflösung berühren. 

Jedenfalls ist „Wenn der Nebel schweigt“ spannende, packende und geheimnisvolle Thriller-Unterhaltung, die von Anfang bis Ende hält.