Rezension

Das Herz hat keine Falten

Und jetzt lass uns tanzen - Karine Lambert

Und jetzt lass uns tanzen
von Karine Lambert

Bewertet mit 5 Sternen

Mich hat das Buch Und jetzt lass uns tanzen von Karine Lambert gleichermaßen traurig wie glücklich gemacht. Es ist eine ganz wunderbare Geschichte über die Liebe zweier Menschen, die sich im Alter finden und lieben lernen.
Marguerite war ihr Leben lang Tochter , Ehefrau und Mutter von jemandem. Aber nie war sie ganz sie. Als Kind und Jugendliche hat sie noch für kurze Zeit das Leben an der Seite ihrer großen Schwester freudig und unbeschwert gelebt.
Doch als diese dann unerwartet verstirbt, wird sie vom Vater in eine lieblose Ehe gedrängt. Für eine Chance, die man nutzen sollte, hält der Vater den angesehenen Notar Henri. Doch Marguerite hat keine Chance sich zu entfalten, sie trägt die Kleider, die Frisur, die ihr vom Ehemann vorgeschrieben wird. Sie wehrt sich nicht, als ihr Sohn Frederic  ins Internat geschickt wird, sie erduldet die Chopinkonzerte, zu denen sie ihren Mann begleiten muss. Ganz stark zeigt sich die Distanziertheit in dieser Beziehung, da sich die Eheleute zeitlebens siezten.
Als Henri verstirbt, ist Marguerite 78 Jahre alt. Der Sohn versetzt sich nun in die Lage des Vaters, lässt der Mutter wiederum keine Möglichkeit zur Entfaltung,  alles sei  zu ihrem Schutze, sie könne doch gar nicht für sich selbständig entscheiden, das habe sich doch auch noch nie machen müssen.
Ganz anders erging es Marcel. Glückliche 50 Jahre war er verheiratet mit Nora, bis sie ihm bei einem Badeunfall genommen wird.  Marcel liebte Nora schon seit sie Kinder waren, gemeinsam mit ihren Familien übersiedelten sie von Algerien nach Frankreich.  Kurz als Jugendliche getrennt verbringen die beiden ihr gesamtes erfülltes Leben miteinander.
Bei einem Kuraufenthalt in den Bergen begegnen sich nun Marguerite und Marcel, sie nähern sich zaghaft und zärtlich an. Marguerite hadert lange damit, wieder mit einem Mann zusammen zu sein.
Doch die Eintönigkeit ihrer früheren Tage, die höchstens vom wöchentlichen Erscheinen der Haushaltshilfe oder den Besuchen des Enkelsohnes Ludovic durchbrochen waren, tauscht Marguerite  bald mit der lang unterdrückten und wiederentdeckten Lebensfreude, die sie bei der gemeinsamen Zeit mit Marcel empfindet. Auch von den Empfindlichkeiten von Frederic, ganz Sohn seines Vaters, lassen sie sich letztlich nicht abhalten, den Lebensabend voller Zuneigung gemeinsam zu verbringen.
Karine Lambert schildert diese Geschichte voller Wärme und Zärtlichkeit, scheut sich auch nicht das Thema körperliche Liebe  anzuschneiden.  Marguerites „erstes Mal“ hat mich leuchten lassen vor lauter Freude.  Das Buch schildert sehr einfühlsam, dass Liebe kein Alter kennt und dass es völlig in Ordnung ist, selbst nach dem Verlust eines langjährigen geliebten Partners und der Trauer darüber, eine neues Glück zu finden und zu genießen.
Ich habe mit Marguerite mitgelitten, wenn über ihre trostlose Beziehung zu Henri berichtet wurde und mit Marcel gefühlt, als er die Nachricht vom Tod seiner Nora erhielt. Aber genauso hat meine Herz mit geklopft, als Marguerite und Marcel ihre Liebe zu einander entdeckten.
Besser gehen Bücher für die Seele fast gar nicht.