Rezension

Der ausweglose Kampf um Wahrheiten

Ein falsches Wort
von Vigdis Hjorth

Bewertet mit 5 Sternen

Die Überschreibung der elterlichen Ferienhütten auf Hvaler an nur zwei ihrer vier Kinder, lässt den einzigen Bruder Kontakt zur ebenfalls übergangenen ältesten Schwester Bergljot wieder aufnehmen. Beide haben mit der Familie gebrochen, doch jetzt will Bard diesen Bezugspunkt und Ferienort für seine eigene Familie nicht verlieren und wirbt bei seiner Schwester um Beistand gegen die zwei jüngeren Geschwister.
Bergljot, 60, selbst Mutter von 3 Kindern und Enkeln, möchte sich eigentlich nicht einmischen. Vor vielen Jahren bereits hat sie für sich beschlossen, ihren Vater nicht beerben zu wollen. Nur den Kontakt ihrer Kinder zu den Großeltern ließ sie bestehen. Bergljots Schwester Astrid war es, die sporadisch anrief und ihererseits Bergljot bat, den Kontakt zur 80-jährigen Mutter doch wieder zu suchen, da diese krank sei.
Die Situation kocht hoch, als der Vater stirbt, die Beerdigung organisiert, und schließlich das Testament eröffnet wird. Bergljot muss sich der Familie stellen, muss verdrängte Erinnerungen wieder zulassen.
Erbstreitigkeiten waren mein persönlicher Triggerpunkt, mich dieser Lektüre zu stellen. Bergljot erzählt mir diese Geschichte aus ihrer Sicht. Sie sitzt neben mir, ist aufgewühlt, muss ihre Gedanken sortieren, wiederholt sich ständig, aber bald merke ich, dass es ihr nicht um die Hütten auf Hvaler geht und auch nicht um das Erbe ihres Vaters. Ich brauche etwas Geduld, denn in Bergljots Erinnerungen fließen nicht nur die Begegnungen und E-mails mit ihrer Familie ein, sondern auch ihre "Männergeschichten", der Rat ihrer Freundin, die sie auf so merkwürdige Art kennengelernt hat und die es auch nicht leicht hatte. Verzweifelte Anrufe bei ihren Kindern, die Suche nach Rückhalt bei ihrem Freund, wütende, betrunkene Antworten an Astrid, all das, merke ich bald, verbirgt ein unaussprechliches Geschehen, das Bergljot zu dem Menschen gemacht hat, der sie heute ist. Ein schroffes, gestörtes, alkoholsüchtiges Geschöpf mit ambivalenten Gefühlen, auf der verzweifelten Suche nach Gehör. Ich muss lange hinhören um das ganze Ausmaß zu begreifen, aber zugleich muss ich begreifen, warum ihre Geschwister so reagieren, wie sie reagieren, warum ihre Mutter nicht die Mutter ist, die sie sein sollte.
Und trotzdem bleibt zum Schluss ein leiser Zweifel. Zum einen wissen wir jetzt, dass Bergljot eine sehr unzuverlässige Erzählerin ist, die nie wirklich abschließen durfte, nie wirklich eine Erklärung, geschweige denn Glauben und Anerkennung erfahren durfte. Auch die Schuld verteilt sich hier auf viele Schultern, die niemals stark genug für Aufarbeitung und Versöhnung waren.
Keine leichte Geschichte, kein leichter Text, aber psychologisch eindringlich aufgebaut und mit einer Spannung versehen, die leider keine Erlösung bietet.

Gabriele Haefs, Jahrgang 1953 hat dieses Werk mit Fingerspitzengefühl aus dem Norwegischen übersetzt und der S. Fischer Verlag gab dem Umschlag die vier abstrakten Gestalten der Geschwister, von denen eine abseits spricht, was den anderen sichtlich schwerfällt zu akzeptieren. Vigdis Hjort selbst hat ihre Lorbeeren bereits in Norwegen und interantional gesammelt, so dass sie durchaus das Gewicht hat, den Leser mit diesem Werk herauszufordern. Bei aller Alltäglichkeit um Erbstreitereien, ist diese Geschichte als Erstlektüre dieser Autorin, eine vielfache Herausforderung.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. April 2024 um 00:08

5 Sterne für dieses plöde Buch? Hm. hm. hm. Muss ich mir überlegen, was ich mir dir mache.

Emswashed kommentierte am 06. April 2024 um 09:37

Meine Geschmacksnerven überprüfen? Mein Hirn lobotomieren? Mir sind Sterme relativ schnuppe, meine Kritik steckt im Text.

wandagreen kommentierte am 06. April 2024 um 16:20

5 Sterne bleiben 5 Sterne. Ich dachte, ich hätte wenigstens eine Getreue! Niemals hätte ich dieses Werk prämiert.Ich habe den Norwegern gegenü sowie so schon keine positiven Gefühle (sah mal einen Film mit völlig promiskuitiver Prota) - das verfestigt sich immer mehr. GsD kenne ich keinen einzigen von ihnen. War nie dort. Muss ein übles Land sein.

Emswashed kommentierte am 06. April 2024 um 18:35

Die 5 Sternchen gehören ganz allein dem Algorithmus und die Norweger sind ganz weit weg, da kannst Du mich trotzdem noch liebhaben, bitte!

wandagreen kommentierte am 06. April 2024 um 18:47

Grummel. Na gut.