Rezension

Der Mann an der Wiege

Das Baby ist meins
von Oyinkan Braithwaite

Bewertet mit 4 Sternen

Gerade ist Bambi von seiner derzeitigen Freundin aus der Wohnung geworfen worden. Der junge Mann findet Unterkunft im Haus seines verstorbenen Onkels, wo er überraschender Weise nicht nur seine verwitwete Tante vorfindet, sondern auch ein Baby und die ehemalige Geliebte seines Onkels. Die drei Erwachsenen müssen eine Art Zweckgemeinschaft bilden, denn das Land befindet sich im Corona Lockdown. In der Enge der häuslichen Situation spitzt sich die Situation zu, als beide Frauen behaupten, sie seien die Mutter des Kindes.

„Das Baby ist meins“ von der nigerianischen Schriftstellerin Oyinkan Braithwaite ist kein Roman, mehr eine Kurzgeschichte, jedenfalls ein kryptisches Kammerspiel. Der scheinbar unerschütterliche Grundsatz „mater semper certa est“ gerät hier ins Wanken. Das Thema des Streits um ein Kind ist so alt wie das Alte Testament. Dass man heute mittels DNA Test die Verwandtschaft bestimmen könnte, übergeht die Autorin mit der derzeitigen Überlastung sämtlicher Labore aufgrund der COVID 19 Pandemie. Überhaupt ist der aktuelle Bezug in dieser Geschichte tonangebend.

„…fühlte es sich seltsam an, die Alexander Road entlangzufahren und kaum einem anderen Fahrzeug zu begegnen. Man konnte sich schwer vorstellen, dass das Leben je wieder wie vorher werden würde.“

Es ist eine eigene Stimmung in dem Haus des Onkels. Es wirkt verwahrlost, aufgegeben. Immer wieder fällt der Strom aus. Irgendwo treibt ein krähender Hahn Bambi in Rage. So erbittert der Streit der beiden Frauen – Auntie Bidemi und Esohe – um die Mutterschaft geht, ist es umso erstaunlicher, dass es oft nur Bambi ist, der sich um das Baby kümmert. Es mag mitunter auch an seinem Namen liegen, aber dem jungen Mann ist - obwohl ein Schwerenöter, der in den Tag hineinlebt und sich vor jeglicher Verantwortung drückt – die Leserin wohlgesonnen.

Oyinkan Braithwaite bedient sich einer lakonischen und pointierten Sprache. Die psychische und emotionale Ausnahmesituation ist nur mit einer Prise schwarzen Humors aushaltbar. Die Autorin verteilt in diesem Kammerspiel die Rollen Frau und Mutter, Mann und Playboy zunächst ganz klassisch. Doch beim nächsten Hinschauen haben die Darsteller das Fach gewechselt. Hier kann man sich keiner Person sicher sein. Das Buch endet zu einem Zeitpunkt, wo andere Geschichten erst loslegen. Der offene Ausgang lässt einige Salomonische Schlüsse zu.