Rezension

Detaillierte Familien- und Freundschaftsanalyse

Genau so, wie es immer war -

Genau so, wie es immer war
von Claire Lombardo

Bewertet mit 4 Sternen

Julia hat in ihrer Kindheit nicht viel Liebe von ihrer trinkenden Mutter mitbekommen, der Vater ist irgendwann verschwunden. Nun selbst Mutter, versucht sie - wie so viele - ihren Kindern ein besserer Elternteil zu sein und sich ganz und gar auf ihre Rolle als liebendes Mutterwesen einzulassen. Doch irgendetwas fehlt ihr im Leben. Als sie die um einiges ältere Helen kennenlernt, ändert sich ihr Leben nachhaltig...

Claire Lombardo analysiert in "Genau so, wie es immer war" die fiktionale Biographie ihrer Protagonistin Julia mit großer Hingabe und kurzweiligen Detailreichtum. Abwechselnd begleiten die Lesenden Julias Gegenwart und Vergangenheit, in knapp 720 Seiten begleiten sie die Entwicklung des Charakters durch seinen bewegten Lebenslauf. Es ist bewundernswert, wie treffsicher, rund und nachvollziehbar die Autorin die lange Geschichte strickt, ohne dass das Erzählte langweilig wird oder der rote Faden reißt. Die verschiedenen Protagonist:innen werden einfühlsam und ehrlich beschrieben, alle vielseitig mit Ecken und Kanten, allesamt neigen sie zu Fehlern und gestehen sich diese - unterschiedlich früh oder spät - ein. So wirken die Figuren aus dem Leben gegriffen und es ist ein leichtes, sich in diese hinein zu fühlen, auch wenn sie durch ihre Schrulligkeit teilweise anstrengend sind. Wie in jedem Leben müssen sie sich durch Höhen und Tiefen hanteln, verlieren sich und/oder ihre Liebsten, doch das Leben geht weiter.

Prinzipiell habe ich das Buch sehr gern gelesen, weil mir einiges auch aus meinem eigenen Leben bekannt vor kam und mich die Geschichte zur Selbstreflexion brachte. Lombardo fokussiert sich nicht nur auf die Entwicklung ihres Hauptcharakters, sondern schildert eingehend die Komplexität von Beziehungen - ob familiär oder freundschaftlich - und deren Entwicklung im Laufe eines Lebens. Wie schon erwähnt, schreibt sie sehr exakt und rund, trotzdem empfand ich das Buch an manchen (wenigen) Stellen als langatmig. Zudem fand ich Julia und auch einige andere Figuren manchmal nervig und ich musste das Buch mal ein paar Tage ruhen lassen, bevor ich die Lust am Lesen ganz verlieren würde. Doch mit Abstand bin ich sofort wieder in die Geschichte hineingekommen und hatte wieder Freude an dem Erzählten.

Mein Fazit: "Genau so, wie es immer war" ist trotz seines beachtlichen Umfangs ein größtenteils kurzweiliger Roman, der besonderen Wert auf eine umfangreiche und detaillierte Charakterbeschreibung setzt. Das Leben einer Frau mit den unterschiedlichen Herausforderungen wird treffend nachgezeichnet. Einen Stern Abzug erhält das Buch, weil es sich ruhig 200 Seiten an Detailreichtum einsparen hätte können. Trotzdem spreche ich gerne eine Leseempfehlung aus!