Rezension

Die Geschichte der Mütter

Issa
von Mirrianne Mahn

Issa ist auf  dem Weg nach Kamerun. Eigentlich will sie da nicht hin, aber ihre Mutter hat ihr stark zugesetzt, dass sie, jetzt wo sie schwanger ist, noch die traditionellen Rituale vollziehen muss. Also reist Issa zu ihrer Verwandschaft, für die sie immer zu weiß ist, während sie in Deutschland immer zu schwarz bleibt. Und so wird dieser Familienbesuch unerwartet zu einer Suche nach Identität, Zugehörigkeit und den eigenen Platz im Leben.

"Issa" ist ein eindrucksvoller Debütroman, der von mehreren Frauengenerationen aus Issas Familie handelt, die jedoch beispielhaft für viele Familien stehen können. Während Issa die Merkwürdigkeiten über sich ergehen lässt, denen ihre Familie noch anhängt und denen sie mit ihrem westlichen Blick wenig abgewinnen kann, springt die Geschichte regelmäßig in der Zeit zurück zu den vorangegangenen Muttergenerationen, beginnend bei Issas Ururgroßmutter im Jahr 1906, als Kamerun unter der Kolonialherrschaft Deutschlands stand. Wie sich dieser Kolonialismus bis heute auswirkt, erfährt man Stück für Stück durch die Geschichte der Mütter und Großmütter.
Mit Humor und Ironie kommentiert Issa zunächst die verschiedenen Rituale und Weltanschauungen, doch zunehmend lässt sie sich darauf ein und beginnt zu verstehen. Parallel lernen auch die Lesenden sehr viel über Kamerun, seine vielen Völker und Clans, und die Kultur. Im Vordergrund steht dabei das Schicksal der Frauen, die wiederholt als Eigentum betrachtet und behandelt werden, sich oft den Mann mit anderen Ehefrauen teilen müssen, viel Leid erfahren und über ihr Leben hinweg unglaubliche Stärke zeigen. Nicht immer gelang es mir dabei, den einzelnen Frauen genau zu folgen, da einige Schicksale deutlicher im Fokus stehen und andere schneller und kürzer abgehandelt werden. Das machte es mir nicht immer einfach, die Schicksale auseinander zu halten. Dennoch sind mir während des Lesens die Figuren ans Herz gewachsen, ich habe mitgelitten und mitgefiebert und bin ich eine für mich völlig fremde Welt eingetaucht. Mit "Issa" ist der Autorin ein grandioses Buch über Identitätssuche, Rassismus und Kolonialismus gelungen, das einem eine fremde Kultur und völlig andere Lebenslinien erfahrbar macht.