Rezension

Die Geschichte einer Freundschaft

Das Leben vor uns -

Das Leben vor uns
von Kristina Gorcheva-Newberry

Bewertet mit 5 Sternen

Anja, die Erzählerinder Geschichte und Milka sind beste Freundinnen seit Kindertagen. Sie leben am Rande von Moskau in den 80ziger Jahren. Gemeinsam gehen die Freundinnen durch die Pubertät - erster Kuss - erste Zigarette- erster Sex - Alkohol und endlose Diskussionen über die Welt, Musik und besonders Literatur.

Aus dem Duo wird ein Quartett durch die beiden Jungs Lobatin und Trifonow. Man liebt sich, man streitet sich, während die Sowjetunion auf ihr Ende zustrebt. Kurz vor dem Schulabschluss kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall, der alles verändert. Anja geht nach Amerika und kehrt nach 20 Jahren zurück und muss sich mit den Ereignissen von damals auseinandersetzen.

Das Buch war von der ersten Seite an einfach nur spannend und gleichzeitig berührend.

Grundsätzlich haben sich die Jugendlichen nicht von Teenagern im Westen unterschieden. Musik hören, diskutieren und das wachsende Interesse am anderen Geschlecht eint alle. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man die Unterschiede. Das Leben ist geprägt vom Mangel und beengten Wohnverhältnisse. Alkohol gehört - auch bei den Jugendlichen - im hohen Maße dazu. Ausländische Musik hören ist schwierig. Reisen außerhalb der Sowjetunion bleiben ein Traum. Das Trauma des 2. Weltkrieges ist allgegenwärtig und der Stolz, Nazideutschland besiegt zu haben, gehört zur Identität.

Anja kommt aus geordneten Verhältnissen. Milka lebt mit Mutter und Stiefvater. Sie wirkt auf mich immer etwas wütend, braucht Aufmerksamkeit  und wirkt zügellos. Anja ist eindeutig die besonnenere und manchmal geradezu naive Freundin. 

Die beiden Jungs könnten nicht gegensätzlicher sein. Lobatin, Milkas Freund, ist der Haudrauf, der sich nur für materielle Dinge, Alkohol und Sex zu interessieren scheint. Trifonow, Anjas Freund, ist der Gegenentwurf. Er begeistert sich für Literatur und ist politisch interessiert. Diese Gegensätze lösen eine Kette von Ereignissen aus, die zum Ende der Freundschaft führt und Anja nach Amerika gehen lässt.

Als Anja nach 20 Jahren ihre Eltern besucht, versucht Anja, die Ereignisse von damals aufzuarbeiten. Ihr Heimatland ist ein anders. Perestroika hat alles verändert. Die Läden sind voll teurer Waren. Oligarchen haben die Wirtschaft übernommen. Alte Gewissheiten und der Stolz darauf wurden zerstört. Die Opfer sind damals wie heute die normalen Bürger wie Anjas Eltern. Durch Lobatin erfährt Anja, was während ihrer Abwesenheit passiert ist und sie kann mit der Vergangenheit ihren Frieden schließen.

Mich hat das Buch sehr berührt und nachdenklich gestimmt. Es hat auf sehr unterhaltsame Weise gezeigt, dass alle Menschen die gleichen Träume und Hoffnungen haben, egal in welcher Gesellschaft  sie leben. Gleichzeitig verdeutlicht die Autorin, wie nachhaltig ein politisches System die Lebensverhältnisse und die Chance, Lebensträume zu verwirklichen, beeinflusst.