Rezension

Die Harpyie

Die Harpyie
von Megan Hunter

Bewertet mit 2.5 Sternen

In ihrem Roman „Die Harpyie“ beschreibt die britische Schriftstellerin Megan Hunter das Leben einer Frau, die versucht, in einem bürgerlichen, fast spießigen Leben, Halt und Inhalt zu finden.

Lucy entstammt einem dysfunktionalen Elternhaus, wie man aus fragmentarischen Erinnerungen ihrer Erzählstimme erfährt. Umso mehr, will sie in ihrer Ehe mit Jake und bei der Erziehung ihrer Söhne Paddy und Ted  alles richtig machen. Auch dem Nebenjob, den sie hat, da Jake der Hauptverdiener ist, und den Nachbarn und Bekannten will sie es Recht machen. Aber Lucy ist eben nicht nur eine normale Frau und Mutter, denn sie wird von Fantasien heimgesucht. Die mystische Figur der Harpyie wird zu ihrer Obsession. Als Jake sie betrügt und ihr Leben aus dem Takt gerät, gewinnt die Harpyie nach und nach Oberhand.

Was nach dem packenden Psychogramm einer Frau mit einem eventuellen feministischen Ansatz klingt, verliert sich, trotz einer großartigen, bildhaften, knappen, aber eindrucksvollen Sprache, in einer artifiziell verschwurbelten Erzählung. Megan Hunter vermag es nicht, Lucy oder Jake Konturen zu verleihen, oder ihre Handlungen glaubhaft und nachvollziehbar darzustellen. Lucy ist nicht greifbar, alles, was wir von ihr erfahren, monologisiert sie. Keinen Blick von außen auf sie erlaubt uns Hunter, müsste sie dafür doch die Perspektive ändern. So bleibt der Leser stets in Lucys limitierter Welt und ihrem Wahn.

“Die Harpyie“ ist eine klaustrophobische Erzählung, denn andere Personen außer Lucy, kommen kaum vor. Jake, die Kinder und ein oder zwei Nebenfiguren, die höchstens als Katalysatoren fungieren, sind zu oberflächlich gestaltet, als dass sie Interesse wecken könnten. 
Was also soll mir als Leserin eigentlich erzählt werden? Mir scheint es, als hätte Megan Hunter eine schriftstellerische Fingerübung machen wollen, als hätte sie ihre Prosa zu neuen Höhen heraufschrauben wollen, dabei aber den Inhalt vernachlässigt.

Wohlwollende drei Sterne von mir, da die Sprache wirklich großartig ist. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. April 2021 um 09:57

"Keinen Blick von außen auf sie erlaubt uns Hunter, müsste sie dafür doch die Perspektive ändern. So bleibt der Leser stets in Lucys limitierter Welt und ihrem Wahn."

Diese verweigerte Perspektivwechsel bei Romanen, die ihn aber unbedingt nötig hätten, habe ich in letzter Zeit auch öfters moniert. Gut, das Buch kann ich mir schnenken. Danke Himmi.