Rezension

Die Mären nehmen Gestalt an

Die Chroniken von Azuhr - Die Weiße Königin - Bernhard Hennen

Die Chroniken von Azuhr - Die Weiße Königin
von Bernhard Hennen

Bewertet mit 5 Sternen

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(3) 

 

Die Chroniken von Azuhr geht in die zweite Runde.

Die Insel Cilia wird nicht zum ersten Mal Schauplatz eines großen Krieges. Gleich mehrere Feldherren versuchen die Rebellen des Schwertwaldes zu vernichten. Allen voran der Erzpriester Nandus, dem wohl klar ist, dass in der entscheidenden Schlacht geweissagt ist, dass die Weiße Königin erscheinen und ihr Volk retten wird. Trotzdem versucht er alles, um den Krieg auf die ein oder andere Weise für sich zu entscheiden und geht strategisch klug aber auch hart und unerbittlich zu werke.

Währenddessen versucht sein Sohn Milan, die aus dem Ruder laufenden Märengestalten in den Griff zu bekommen und vielleicht einen Weg zu finden, um seine geliebte Felicia wider zum Leben zu erwecken. Er setzt seine magischen Fähigkeiten auf ganz neue Weise ein und durch seine Geschichten beginnt die reale Welt sich tatsächlich zu verändern. Aber es läuft nicht alles so, wie er es sich erwünscht hat. Denn kleine Änderungen der Realität verursachen, wie mir ja alle wissen, oft einen Schmetterlingseffekt und setzten manchmal eine große Lawine in Gang.

Ein ungewöhnlich langer Prolog erzählt erst einmal aus der Vergangenheit der amtierenden Kaiserin und man muss sich als Leser etwas gedulden, bis die Story dort fortfährt, wo sie im kongenialen ersten Band endete. Bernhard Hennen lässt sich tatsächlich etwas Zeit, bis er den Spannungsbogen anzieht aber spätestens in der Mitte hatte er mich wieder mit Haut und Haar und es fiel mir schwer, das dicke Buch aus der Hand zu legen.

Wie schon im Vorgänger besticht die Geschichte durch eine ganz eigene Exotik. Das mittelalterlich angehauchte Setting schwankt zwischen Asien und Spanien und einem Land, welches ich mal ganz salopp als ein Märchenland beschreiben würde, in dem Meerhexen, Basilisken, Riesen und Waldtrolle ihr Unwesen treiben und ein hungriger Riesenbär namens Grym ständig Leute verspeisen will.

Stark und kraftvoll sind aber nicht nur die magischen Wesen, sondern vor allem und eindeutig an erster Stelle die menschlichen Darsteller, die charakterlich bis in die kleinste Nebenrolle intensiv und tiefgründig gestaltet sind. Brüche in den Persönlichkeiten, Reifungsprozesse, psychologische Abgründe; alles da in dieser Riege so unterschiedlicher Akteure. Der Leser wird dabei auf eine Achterbahn der Gefühle geschickt. Liebgewonnene Personen sterben zu Hauf – das kann man nicht schönreden. Aber die ein oder andere Überraschung sorgt dafür, dass man all dies verkraftet und von der Kraft und Spannung überrascht wird, die die Handlung immer weiter vorantreibt zu einem furiosen Finale.

Ja, es gibt jede Menge offene Enden und unbeantwortete Fragen. Ja, man weiß, dass es noch einen dritten Band braucht, um diese Geschichte in einen sicheren Hafen zu bringen. Und der ein oder andere Cliffhanger dräut durch die letzten Seiten. Aber dennoch kann man den zweiten Teil der Trilogie sehr zufrieden zuklappen, denn man wurde von Bernhard Hennen wieder Mal aufs Trefflichste unterhalten und kann sich freuen, dass dieses tolle Märenmärchen noch nicht zu Ende ist.