Rezension

Die Nacht der Wahrheit

Blütenschatten -

Blütenschatten
von Annalena McAfee

Bewertet mit 5 Sternen

Mit Eve Laing durch die Nacht – bei diesem Nachtspaziergang durch London erinnert sie sich an ihr Leben, an ihre Arbeit als Künstlerin, ihre Weggefährten,  ihre Männer, Ihre Familie. Sie schaut durch das erleuchtete Fenster, beobachtet Kristof von draußen und denkt zurück. Könnte sie mehr als drei Jahrzehnte zurückspulen, würde sie es tun?  Es anders machen?

Sie ist im Hier und Jetzt, schweift ab, erzählt so, wie es ihr gerade einfällt. Bei dem berühmten Maler Florian Kis, dem sie in jungen Jahren Muse war, hat sie viel fürs Leben gelernt und sei es nur, dass es Treue so nicht gibt. Mit sechzig will Eve es noch einmal wissen, sie hat für Luka, ihren jungen Liebhaber, alles zurückgelassen – resolut, beinahe selbstzerstörerisch. Einzig ihr Atelier, in dem sie eine monumentale Retroperspektive vorbereitet, ist ihr geblieben. Ihr Künstlerherz gehört den Pflanzen, die sie genauestens studiert und seziert. Eine Komposition aus sieben Bildern der wunderschönen, aber sehr giftigen Blüten wird entstehen, ihr Meisterwerk – Poison Florilegium. Vervollständigt durch präparierte Pflanzenteile und zusätzlich filmisch festgehalten, wird dieses imposante Werk ihr endgültiger Durchbruch als Künstlerin sein.

Annalena McAfee lässt ihre Leser sehr nahe an Eve heran, stülpt ihr Innerstes nach außen. In dieser regnerischen Nacht drängt ihr wahrer Charakter unerbittlich an die Oberfläche, ihre Erinnerungen sind ungeschönt, ja  gnadenlos ehrlich. Der Einblick in die Kunstszene mit ihren egozentrischen Typen, ihren Affären und Intrigen ist eine boshafte Mischung aus Rache und Zerstörungswut und stellt sinnbildlich den Bezug zu ihrer Arbeit mit der giftigen Botanik dar.

Die Nacht neigt sich dem Ende zu, „Blütenschatten“ ist auserzählt. Gerne bin ich mit Eve durch ihr Leben gewandelt. Ein Buch, das mich von Anfang an gewinnen konnte. Auch oder gerade weil die Protagonistin sich im Künstlermilieu bewegt, sich um nichts und niemanden schert, sich aufführt, als sei sie ein Mann. Ein konsequentes Ende, das zugleich beeindruckt und verstört. Ein Künstlerleben eben!