Rezension

Die Rückkehr des Messias'

Der Jesus-Deal - Andreas Eschbach

Der Jesus-Deal
von Andreas Eschbach

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn es möglich wäre, eine Zeitreise zu unternehmen - würdest du es tun? Um meine eigene Frage zu beantworten: sofort, ohne zu zögern, ohne auch nur eine Sekunde mit der Wimper zu zucken. Ich würde mir wahrscheinlich eher nicht die Zeit Jesus' aussuchen oder doch erst geraume Zeit, nachdem ich einige andere Epochen besucht hätte, aber immerhin, ich würde es tun. Und offensichtlich stehe ich mit dieser Einstellung nicht allein da, denn schon vor gefühlten 100 Jahren schrieb Andreas Eschbach das Buch "Das Jesus-Video". Mit dem "Jesus-Deal" schließt er sich seinen damaligen Überlegungen wieder an und erweitert sie, zeigt sie (meistens) aus einem anderen Blickwinkel und führt die Geschichte ... beinahe hätte ich gesagt: fort. Doch so klar kann man bei Zeitreisen nicht von "fortführen" sprechen, denn das würde ja einen geradlinigen Verlauf suggerieren, von dem eben nicht die Rede sein kann, denn wer mit der Zeit spielt, spielt auch mit Ereignissen.

Als grobe Übersicht: Samuel Barron ist einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt, obwohl er in keiner Forbes-Liste auftaucht und auch alles dafür tut, dass das nicht passiert. Denn Barron will keine Aufmerksamkeit, keine Medien, die jeden seiner Schritte beobachten, keinen Promistatus. Barron ist weit über solchen irdischen Dingen erhaben, denn er kennt nur seine Liebe zu Gott und dessen Sohn Jesus, der sich für die Menschen geopfert hat. Als ihm das Jesus-Video in die Hände fällt, ist ihm sofort klar, was das bedeutet: Die Endzeit ist nah! Alles wird so kommen, wie es in der Bibel beschrieben ist, alles ... mit ein bisschen Nachhilfe seinerseits.
Und welche Nachhilfe er gibt. Er besorgt sich Fachleute, er beeinflusst die Politik, er kauft Stimmen, er lässt seinen Sohn und fünf weitere Jugendliche ausbilden, in all den alten Sprachen, die vor 2000 Jahren um Jerusalem herum gesprochen wurden und diversen damals üblichen Handwerken. Alles, um ein Ziel zu verwirklichen: mit einer Zeitmaschine zurückzukehren, Jesus' Tod und Auferstehung zu dokumentieren und dann ... noch einen Schritt weiterzugehen. Denn die Gläubigen werden belohnt werden, wenn der Sohn Gottes die Erde rettet. Dafür tut Barron alles. Seinen ältesten Sohn opfern, Leute opfern, wenn es sein muss, die ganze Welt opfern.

Wir treffen auch wieder auf John Kaun, der zu Zeiten des Videos ein Riesenmedienmogul war, und eine halbwegs passable Wandlung vom Saulus zum Paulus hinlegte, samt Läuterung und Liebe - obwohl er seine Liebe vernünftigerweise eher auf seine Frau und Tochter konzentriert. Ebendiese Tochter erkrankt an Leukämie und es gibt nur noch eine Chance, sie zu retten. Natürlich muss auch Stephen Foxx wieder mit von der Partie sein, sonst wäre die alte Truppe ja nicht vollständig. Die Rettung von Kauns Tochter könnte nicht nur über das Weiterexistieren der ganzen Welt entscheiden - und dann sind da ja auch noch die Zeitreisenden selbst, diverse Geheimdienste, Ultragläubige, Verbrecher, Politiker, arme Hunde, die es in ein böses Spiel aus Politik und Glauben zieht.

Wie man sieht, handelt es sich hier um ein sehr komplexes Buch, das sich nur leicht lesen lässt, weil Eschbach vor allem eines ist: ein begnadeter Erzähler.  Er schreibt mit leichter Hand über geniale und komplizierte Sachverhältnisse, und genau dort kommt er sich gelegentlich selbst in die Quere. Seine größte Stärke ist zugleich auch seine größte Schwäche, denn gelegentlich kommt er arg ins Erzählen. Ich möchte nicht so weit gehen zu behaupten, dass er abschweift, aber manche Dinge hätten durchaus konzentrierter abgehandelt werden können. Ich weiß jetzt wahrscheinlich mehr über Leukämie, die Bibel und diverse Waffensysteme, als ich je in meinem Leben erfahren wollte. Das wird nicht wirklich langweilig, nimmt aber einen Teil der Spannung, was meiner Meinung nach unnötig ist. Auch wird lang und breit der Tod von jemandem vorbereitet, der dann so kurz und abwesend erledigt wird, dass es geradezu antiklimaktisch wirkt. Das Ende wirkt dann im Gegensatz zu den relativ gemächlich entwickelten ersten 500 Seiten manchmal gehetzt und sprunghaft; gerettet wird das Ganze dann durch die geniale Auflösung einer Frage, die man sich zwischendurch stellt. Bleibt also nur noch eine Frage, die offen bleibt, aber vielleicht sogar Raum lässt für ein drittes Buch mit dieser Thematik.

Fazit: Phantastische Ideen und sprachlich hervorragend umgesetzter Zeitreisethriller, der manchmal unter zu viel Infodump leidet und dadurch Spannung herausnimmt.