Rezension

Die Suche nach dem Platz im Leben

Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle -

Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Anne Freytag schreibt Jugendbücher, die nicht nur aktuell und universell relevante Themen aufgreifen, sondern auch mit feinfühliger Art vom Erwachsen werden erzählen. Ich lese die Bücher der Autorin wahnsinnig gerne, weil ich mich selbst in ihren Geschichten ganz oft wiederfinde und verstanden fühle.

Zum Inhalt: Corona Lockdown in Deutschland. Eigentlich ist Sally mit der Schule fertig, träumt vom Ausziehen und Studieren, aber irgendwie klingt das alles grade nicht so richtig passend. Überhaupt ist Sallys Leben eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die nicht so richtig passen. Ihre beste Freundin Pia ist weggezogen, Felix, der Junge den liebt, hat sie verlassen. Und zurück bleibt Sally, in einem chaotischen Haushalt und unentschlossen, wie es für sie weitergeht. Doch dann zieht überraschend Leni bei ihnen ein und Sally beginnt, sich ein anderes Leben für sich vorstellen zu können.

Das Buch ist in seiner Gesamtheit eine Aneinanderreihung von Alltagsszenen und Banalitäten und trotzdem innerhalb dieses Konstruktes total mitreißend. Als Schauplatz dient fast ausschließlich das Haus der Familie, was ich interessant inszeniert finde. Denn natürlich verbringen wir viel Zeit zu Hause, aber meist eben den unspektakulären Teil unserer Zeit. Umso gelungener finde ich es, wie viel Stimmung die Autorin damit erzeugt.

Die Familiendynamik ist schwer zu greifen und erweckt oft den Eindruck einer Zweckgemeinschaft völlig verschiedener Einzelindividuen, die als emotionale Gruppe nicht so richtig funktionieren, sich mit dieser Situation aber gut arrangiert haben. Nicht unbedingt das klassische Familienbild, hat mir aber genau deswegen gut gefallen. Es wird auch sehr locker mit Themen wie Sexualität, Politik, Ernährung, Beziehung umgegangen, die in den Alltagsszenen aufgegriffen werden. Finde ich total gut, wie scheinbar mühelos hier über das gesprochen wird, was Jugendliche beschäftigt.

Die Sprache ist sehr einfach gehalten und die Figuren sind liebevoll mit eigenen Marotten und Ansichten ausgestaltet, sodass sie sehr greifbar wirken. Im Zentrum steht natürlich Protagonistin Sally, die nicht nur ihr eigenes Leben reflektiert, sondern auch das ihrer Geschwister. Mir hat ein bisschen die offene Konfrontation ihrer Sorgen/Probleme gefühlt, Sally macht viel mit sich selbst aus. Gegen Ende gibt es da einen vielversprechenden Moment, der aber so ein bisschen in der Luft hängen gelassen wird. Ansonsten ist die Entwicklung der Protagonistin sehr authentisch und nachvollziehbar.

Für mich wieder ein sehr gelungenes Jugendbuch, das sich toll lesen lässt und die emotionale Tiefe in einen sehr mühelosen Rahmen verpackt.