Du bist, was du tust
Ein Baby, ausgesetzt in einem Boot; gefunden wird es von dem Einsiedler Osh, der sich nach schlimmen Erlebnissen auf eine einsame Insel zurückgezogen hat. Auf der kleinen Nachbarinsel lebt Miss Maggie, die ihn unterstützt und dem kleinen Mädchen Crow später Unterricht erteilt - denn in der Inselschule ist sie nicht willkommen: Alle halten Abstand von ihr. Warum das so ist, erfährt sie erst einige Jahre später: Die Inselbewohner befürchten, dass sie von einer nahen Insel stammt, auf der sich früher eine Leprastation befand, und sie befürchten, das Kind könne die Krankheit in sich tragen und sie anstecken. Als Crow zwölf Jahre alt ist, will sie wissen, woher sie kommt, und sie macht sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Dabei muss sie vielen Gefahren begegnen und erfährt nicht nur einiges über ihre Herkunft, sondern entdeckt auch, was wirklich zählt im Leben.
Die Geschichte um Crow ist anrührend erzählt. Das wissbegierige Mädchen, ihr vom Leben enttäuschter Pflegevater Osh, die zupackende Maggie und die Katze namens Maus sind Charaktere, die überzeugen und denen ich als Leser gern in der Wirklichkeit begegnen würde. Die Geschichte ist zwar fiktiv, aber die Leprastation hat es wirklich gegeben, und das Verhalten der Menschen ist glaubwürdig. Einziger Makel in meinen Augen: Der Zufall spielt mir eine zu große Rolle, und das ganze Drama um einen Schatz, der skrupellose Schatzjäger und der vermeintliche Bruder wären meiner Ansicht nach für die Geschichte nicht nötig gewesen - auch ohne das hätte Crow erkennen können, was wichtig ist. Das große Getöse ist in Gefahr, die Melodie zu übertönen.
Die Geschichte spielt vor fast hundert Jahren, aber die Themen sind heute noch aktuell: Familie, Zugehörigkeit, Einsamkeit, Zurückweisung, Vertrauen und Verzeihen. Es wird eine zutiefst humanistische Haltung dargestellt; die Geschichte ist philosophisch, der Stil teils poetisch.
Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 in der Sparte Jugendbuch.