Rezension

Ein gelungener hist. Roman

Signorina Vivaldi -

Signorina Vivaldi
von Verena Maatman

Bewertet mit 5 Sternen

Venedig 1702, das kleine Waisenmädchen Anna Maria steht vor der Weihnachtskrippe der Waisenhauskirche und betet um Eltern oder zumindest einen Elternteil. Wenig später geht der Wunsch (fast) in Erfüllung, denn der Geistliche, Musiklehrer und Komponist Antonio Vivaldi tritt seinen Dienst im Waisenhaus Ospedale delle Pietà an.

 

»Wenn die ungewollten Kinder die Waisenhäuser füllen anstatt den Kanal, tragen sie zum Reichtum der Stadt bei, denn unsere Konzerte locken viele Bürger und Reisende an und füllen die Kassen. Auch die Handarbeiten der figlie del commun werden verkauft und tragen zum Wohlstand bei.«

 

Das Waisenhaus teilt seine Zöglinge (nur Mädchen) in Gruppen: die musikalischen figlie del coro und die figlie de commun. Während die figlie del coro durch ihre Konzerte glänzen, müssen die anderen Mädchen neben Handarbeiten wie Spitzen klöppeln und sticken auch schwere Hausarbeiten verrichten. Das sorgt natürlich unter den Mädchen für Neid und Missgunst, da die vielen Übungsstunden der musikalischen Mädchen nicht als Arbeit angesehen werden. Neben den Querelen der Mädchen untereinander, gibt es auch den strengen Klosteralltag, der von Hunger und fehlender menschlicher Wärme geprägt ist zu meistern. Vor allem Demut sollen die Zöglinge an den Tag legen.

 

„...Aber es ist wichtig, dass du trotzdem immer demütig bleibst und Mädchen wie Clarissa nicht vor den Kopf stößt, denn deine Begabung werden dir viele neiden...“

 

Anna Maria ist den Anfeindungen sowohl von einigen Mädchen, allen voran Berta, als auch von den Nonnen ausgesetzt, als Antonio Vivaldi das große Potenzial der kleinen Geigerin entdeckt und entsprechend fördert. Schon bald wird sie, nach ihrem bevorzugten Instrument der Violone, Anna Maria dal Violin, genannt.

 

Mehrmals kommt es zwischen der Mutter Oberin und Vivaldi zu Konflikten, in deren Folge der Komponist entlassen wird. Weil aber die hohe Qualität des Mädchenorchesters mit seiner eigenen Virtuosität zusammenhängt, holt man ihn zurück, bis sich das Publikum einer anderen Musikrichtung zuwendet und Vivaldi Venedig verlässt.

 

Meine Meinung:

 

Verena Maatmann ist ein fesselnder historischer Roman gelungen. Zahlreiche historische Persönlichkeiten kreuzen unseren Weg.

 

Antonio Vivaldi, der den meisten von uns durch seine „Vier Jahreszeiten“ bekannt ist, ist einer der herausragenden Barockkomponisten. Wie zu dieser Zeit häufig, ist er eigentlich Priester und komponiert anfangs zu Ehren Gottes. Als er sich aufs Opernschreiben verlegt, ist er für die Geistlichkeit nicht mehr tragbar. Vivaldi geht unter anderem nach Wien und stirbt dort 1741 verarmt.

 

Neben Antonio Vivaldi (1678-1741) ist es eben Anna Maria dal Violin (1696-1782) oder später die Sängerin Anna Girò. Auch der Geigenbauer, von dem Anna Maria ihre private, von Vivaldi bezahlte Violine erhält, ist historisch belegt. Da man von Anna Maria wenig weiß, hat die Autorin die Lücken in ihrer Biografie mit viel Sorgfalt und Fantasie aufgefüllt.

 

Sehr schön ist der innere Konflikt von Anna Maria herausgearbeitet, die gerne mit Michele, dem Maler, eine eigene Familie gegründet hätte, aber dadurch auf öffentliche Auftritte verzichten hätte müssen. Denn lt. den Regeln ist es verheirateten Frauen nicht erlaubt, öffentlich aufzutreten, andernfalls hätte ihre Ehemänner Strafe zahlen müssen.

 

„Das Ospedale della Pietà ist meine Familie. Wie in jeder Familie kommt man mit einigen gut, mit anderen weniger gut aus. Aber so ist das Leben.“

 

Nach Michèles Tod stürzt sie sich in die Arbeit und tritt quasi die Nachfolge von Antonio Vivaldi an und erringt endlich die Anerkennung der Mutter Oberin.

 

»Die Christmette ist einer der wichtigsten Auftritte der figlie del coro. Die musikalische Gestaltung des Hochamtes muss gelingen, damit wir weiterhin auf die Gelder unserer Gönner zählen können. Wenn Sie sich also nicht völlig sicher sind, dass Sie Chor und Orchester als maestra di concerto führen können, sagen Sie es mir bitte. Ich kann gern einen externen Konzertmeister engagieren.«

 

In ihrem ausführlichen Nachwort trennt die Autorin Fakten und Fiktion. Das

Ospedale della Pietà ist einer der vier Waisenhäuser Venedigs. Allerdings sind hier nicht ausschließlich Waisen untergebracht sondern auch illegitime Kinder oder, Kinder aus vorhergegangenen Ehen, wie Delia, die zwar aus reichem Hause stammt, aber nach dem Tod der leiblichen Mutter von der neuen Gemahlin des Vaters ins Waisenhaus abgeschoben worden ist.

 

Sehr interessant finde ich, dass man versucht hat, die Mädchen zu verheiraten. Deshalb wurden die Einkünfte, die sie durch ihre Konzerte oder handwerklichen Erzeugnisse erwirtschaftet haben zu je einem Drittel für eine Mitgift, zum persönlichen Gebrauch und zur Deckung des Klosterlebens verwendet. Obwohl das Leben in einem Waisenhaus schrecklich gewesen sein muss, scheinen die Mädchen des Ospedale della Pietà zu den Glücklicheren zu zählen, denn sie erhalten eine Ausbildung und einige die Chance zu heiraten.

 

Fazit:

 

Mir hat dieser historische Roman gut gefallen. Deshalb gebe ich hier 5 Sterne.