Rezension

Ein grandioser Ausflug in das Wien von 1873

Alles Geld der Welt - Gerhard Loibelsberger

Alles Geld der Welt
von Gerhard Loibelsberger

Bewertet mit 5 Sternen

 

Gerhard Loibelsberger entführt seine Leser in das Wien von 1873. Es ist die Zeit des Großbürgertums, der Wissenschaft und Spekulanten. Armut und Reichtum stehen sich unversöhnlich gegenüber.

 

Heinrich von Strauch hat von seinem Vater, dem jüdischen Geldverleihers Aaron Rosenstrauch ein riesiges Vermögen geerbt. Wirklich glücklich ist er nicht, denn um von den jüdischen Vorfahren abzulenken ist er mit einer arischen Erbin verheiratet worden. Man lebt zwar im selben Haus, aber in getrennten Etagen und geht sich, bis auf die allernotwendigsten Begegnungen großräumig aus dem Weg.

 

Natürlich ist auch Heinrich in allerlei Spekulationen und windige Geschäfte verstrickt, bis er dieser überdrüssig wird und das Geld einfach ausgibt. Er überlässt die Geschäfte mehr und mehr Ernst Xaver Huber, seinem nicht minder windigen und skrupellosen Geschäftspartner und widmet sich vor allem den leiblichen Genüssen - Wein, Weib und gutes Essen.

 

Die Ausrichtung der Weltausstellung ist DAS Ereignis des Jahres und kostet Unsummen an Geld. Auch Heinrich hat hier ungewöhnlich viel investiert.

 

Es kommt wie es kommen muss: Am 9. Mai 1873 kommt es zum großen Börsencrash und Heinrich von Strauch ist mitten drin.

 

 

Meine Meinung:

 

Dieser historische Roman ist kein Krimi im herkömmlichen Sinn. Dennoch handelt er von Verbrechen. Die Täter sind diesmal in feinem Zwirn und mit der Aktentasche unterwegs. Sie versprechen den Anlegern das Blaue vom Himmel herunter und bringen auch die kleinen Gewerbetreibenden dazu, in windige Unternehmen zu investieren.

 

Trotzdem dürfen wir dem Johann Maria Nechyba, dem Kult-Kiberer aus der gleichnamige Reihe, ganz kurz begegnen. Nechyba ist da noch ein Kind, dessen Neugierde den vermeintlichen Mörder einer alten Frau entlastet (S. 295).

 

Heinrich von Strauch erscheint als gesättigter, des Reichtums und des Lebens überdrüssiger Mensch. Doch statt mit dem vielen, wenn auch häufig ergaunerten Geld, etwas Gutes zu tun, wie es etwas die Rothschilds mit dem Bau von Krankenhäusern getan haben, lässt er seinen Geschäftspartner schalten und walten wie es ihm gefällt. So bemerkt er die Intrigen, die hinter seinem Rücken gesponnen werden, gar nicht. Irgendwie ist er eine tragische Gestalt, mit der man fast schon Mitleid haben könnte.

 

Doch wie viele Menschen hat er mit seinen Luftgeschäften ins Elend gestürzt? Und wie steht es mit seiner Rechtschaffenheit seinen Dienstboten gegenüber? Die Selbstverständlichkeit mit der er die weiblichen Dienstboten sexuell ausbeutet, ist aus heutiger Sicht schwer zu ertragen. Gut gelungen und präzise eingeflochten sind die Gedanken des beinahe wie einen Sklaven gehaltenen Kammerdieners. Auch dies spiegelt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Ständen drastisch wieder.

 

Gerhard Loibelsberger ist es wieder ausgezeichnet gelungen die Diskrepanz zwischen arm und reich plastisch darzustellen. Er zeigt die morbide, durch und durch faule Gesellschaft des 19. Jahrhundert. Seine Geschichte ist von Zeitungsberichten untermauert und, wie wir es von Gerhard Loibelsberger gewöhnt sind, spazieren wichtige historische Persönlichkeiten durch das Geschehen - Beginnend mit Eduard von Bauernfeld bis Josephine von Wertheimsetin. Ein sehr nette, persönliche Geste ist, dass er Karl Loibelsberger, Setzer in einer Druckerei und sein Urgroßvater erwähnt. So etwas gefällt mir immer wieder.

 

Passend zur Epoche und zur Nechyba-Reihe ist für das Cover wieder ein Motiv von Gustav Klimt gewählt - diesmal der „Kuss“. Das beschert diesem historischen Roman einen hohen Wiedererkennungswert.

 

Wer sich mit den Spekulanten und deren unsauberen Geschäften weiter beschäftigen möchte, findet im Anschluss an das ausführliche Glossar, das die typischen Wiener Ausdrücke erklärt, soweit diese nicht durch Fußnoten erläutert sind, einige Tipps und links zum Nachlesen.

 

Vielleicht auch als Vorbeugungsmaßnahme zu sehen, denn die Geldgier schläft nicht und die Spekulanten treiben sich nach wie vor herum, um den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Geschichte wiederholt sich. Solche Zusammenbrüche der Börsen sind auch heute jederzeit möglich.

 

Fazit:

 

Ein grandioser Ausflug in Wien von 1873, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.