Rezension

Ein langer Weg der Selbstfindung und der Wert wahrer Freundschaft

A Different Blue -

A Different Blue
von Amy Harmon

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Geschichte von Blue und Wilson hat nicht den Reiz einer verbotenen Liebesgeschichte. Vielmehr entwickelt sich langsam etwas, das weit über eine Schüler-Lehrer-Beziehung hinausgeht. Es ist eine eher ruhige Geschichte, die den Wert von wahrer Freundschaft vermittelt. Zudem spielen der Aspekt der Selbstfindung und die Entdeckung der eigenen Identität eine zentrale Rolle.
Diese Themen wurden dadurch in die Handlung eingebaut, dass die 19-jährige Ich-Erzählerin Blue Antworten finden möchte, was in ihrer Vergangenheit geschehen ist und wer ihre Eltern waren bzw. warum sie nicht bei ihnen aufwachsen konnte. Dass einen Menschen aber viel mehr ausmacht als bloß diese Fakten, wird ihr schnell bewusst und diese Erkenntnis lässt sie über ihr Auftreten und ihr Verhalten, aber auch über ihre Denkmuster nachdenken.

Schön finde ich, dass wir die beiden sympathischen Protagonisten auf ihrem Weg begleiten dürfen und insbesondere bei Blue eine starke charakterliche Entwicklung erkennen können. Zu Beginn der Geschichte gibt es einige Rückblicke, die uns ermöglichen, mit Blick auf die junge Blue zu erkennen, wie sie aufgewachsen ist, wer und was sie dabei geprägt haben und warum sie zunächst unnahbar und unfreundlich wirkt. Aber wenn sie einen hinter ihre Fassade blicken lässt, dann merkt man, dass sie im Grunde eigentlich viel liebenswürdiger ist, als sie zeigt.
Über ihren nur ein paar Jahre älteren Lehrer Wilson erfährt man erst später im Buch etwas. Das heißt womit er zu kämpfen hat, wie er aufgewachsen ist und was ihn ausmacht, können wir zunächst nur erahnen, bevor wir etwas Licht im Dunkeln erhalten.
An einigen Stellen waren die Beweggründe und das Verhalten der Protagonisten nicht nachvollziehbar, deren Verhalten sogar widersprüchlich, was teilweise dazu geführt hat, dass die anfängliche Sympathie verschwunden ist. Im Nachhinein betrachtet konnte man es in Ansätzen verstehen, aber zum Glück wirkten die beiden überwiegend freundlich und liebevoll und zudem gab es einige weitere sehr sympathische Charaktere, sodass ich über solche Szenen und Verhaltensweisen hinwegsehen konnte.

Zudem ist der Schreibstil sehr gut zu lesen und teilweise metaphorisch sowie mit kurzen Geschichten der indigenen Völker angereichert, sodass man die Gelegenheit erhält, innezuhalten und über bestimmte Aspekte des eigenen Lebens nachzudenken.

Wir begleiten Blue und Wilson über einen sehr langen Zeitraum. Teilweise passiert es, dass große Zeitsprünge von mehreren Monaten beschrieben wurden, ohne dass man als Leser weiß, was in dieser Zwischenzeit passiert ist. Das führte manchmal dazu, dass man sich erschlagen und unwissend gefühlt hat und nicht so richtig nachvollziehen konnte, inwiefern sich die Charaktere in der Zwischenzeit entwickelt und was sie erlebt haben.

Es gibt zahlreiche unerwartete Plots, allerdings wurden einige von diesen leider nur oberflächlich und kurz abgehandelt, was suggeriert, dass die Autorin so viele ernste Themen wie möglich mit in die Handlung reinbringen wollte. Aber die Ereignisse, die intensiver aufgearbeitet wurden, waren schön dargestellt und wirkten förderlich und nachvollziehbar für den weiteren Handlungsverlauf und haben Tiefe in die Geschichte reingebracht.

Insgesamt ist dieses Buch in sich rund, insbesondere weil am Ende die Frage nach Blues Familienverhältnissen geklärt wird, d.h. dass noch einmal auf den Prolog eingegangen wird. Ich hätte mir lediglich an einigen Stellen gewünscht, dass bestimmte aufgegriffene Thematiken noch mehr aufgearbeitet und in ausreichendem Maße behandelt würden, um alles etwas plausibler und authentischer zu machen, aber die sich langsam entwickelnde emotionale Bindung der beiden Protagonisten konnte das ein bisschen wiedergutmachen, da die Gefühle in solchen Szenen gut an den Leser transportiert werden.
Wenn ihr über die oben genannten, nicht ganz so positiven Aspekte hinwegsehen könnt, kann ich euch dieses Buch nur empfehlen.