Ein packender True-Crime und außergewöhnliches Debüt
Bewertet mit 5 Sternen
Die Geschichten auch dem echten Leben sind oft die besten Storys. Sie kannte das Mordopfer Anna Hager, Tina lebte in den 70er Jahren in ihrer Nachbarschaft und sie kannte auch ihren Mörder.
Diesen wahren Fall hat Tina Seel in ihrer tragischen Story verarbeitet und dabei ein erstaunlich erschreckendes Psychogramm eines brutalen Mörders gezeichnet. Die Tatvorgänge werden in allen Details beschrieben, aber erst die Einblicke in die wahren Hintergründe sorgen für wahrlich schauderhafte Stimmung, die Tina Seel auch fesselnd und gänsehautmäßig in ihrem Erzählton transportieren kann.
Wir erfahren von dem traurigen Schicksal der drei Hager-Schwestern, Hilde kommt in ein Heim, Elsa stirbt auf der Treppe ihres Hauses und Anna bleibt hilflos zurück und verwahrlost immer mehr.
Von den Dorfbewohnern erfährt die Polizei keine hilfreichen Hinweise, sie trauen diese Tat keinem von ihnen zu und möchten niemanden etwas schlechtes nachsagen. Die Menschen des Dorfes erlebt man keinesfalls als sympathische Zeitgenossen, alle erscheinen lieblos, mit sich und ihrer Arbeit voll und ganz beschäftigt, Kinder haben sich ihren Eltern zu fügen, wenn nicht, setzt es Prügel. In so einem Umfeld wird auch der Täter groß, wir lernen ihn und seine Denkweise kennen und können ahnen, warum er sich unter dem Einfluss seiner Mitmenschen so entwickelt hat. Seine Psychose und sein krankes Handeln sind aber durch nichts zu entschuldigen.
Tina Seel lässt ihre Leser neben der Gegenwart und den Tatvorgängen auch in die Vergangenheit der 50er Jahre blicken und damit den Täter und sein Umfeld näher kennenlernen.
Wir lernen die Dorfbewohner kennen, hören ihre Gespräche und erfahren von ihren Ängsten. Dabei wird auch der Täter schnell bekannt, das ist bei Krimis normalerweise ein Spannungskiller. Doch nicht in diesem Fall, denn hier erfahren wir auch die Gründe, wie er durch eigenes erfahrenes Leid zu so einem Menschen werden konnte. Das Spannende an diesem Buch ist im Grunde die Auflösung des Mordfalls und die Seelenpein einzelner Menschen, die gedankenlos Aussagen machten und ihr Wissen bewusst oder unbewusst verschwiegen. Aber auch das Psychogramm des Täters sorgt für Gefühle der Abscheu und für Entsetzen.
Man kann bei diesem besonderen Buch wohl weniger von einem Krimi als eher von einer tragischen Mordserie sprechen, die sich im Laufe des Buches immer mehr entblättert.
Ich kann diese wahre und gut in Szene gesetzte Story absolut empfehlen und war überrascht, dieses außergewöhnliche Debüt lesen zu dürfen.