Rezension

Nach einem wahren Fall, brutal aber fesselnd

Der Tod der dreckigen Anna -

Der Tod der dreckigen Anna
von Tina Seel

Bewertet mit 5 Sternen

»Es musste ein Monster gewesen sein, da war man sich einig. Nicht von dieser Welt. Nicht aus diesem Dorf und schon gar nicht aus der Krittergasse.«

Heiligabend 1974. Friede auf Erden ist für die Bewohner des kleinen Dorfes Gödelsheim in der Südpfalz an diesem Abend kein naheliegender Gedanke. Zu sehr beschäftigt jeden die grausame Tat, die praktisch mitten unter ihnen geschah. Die zweiundsiebzigjährige Anna Hager, von Geburt an geistig verwirrt, wurde in ihrem Haus ermordet. Die Tat war ein einziges Massaker.
»In Kontakt gestanden? Die hat doch mit niemandem in Kontakt gestanden, die Arme. Das war ein verwirrter, armseliger Geist. Die hat doch niemandem was gemacht.«

 

Die Polizei schließt schnell aus, dass ein Fremder den Mord verübt hat. Aber jemand aus ihrem kleinen Dorf? Einer von ihnen? Wo jeder jeden kennt? Undenkbar! Und beängstigend zugleich, denn welches Opfer wird sich das Monster als nächstes suchen?

 

Das erste, was mich an diesem Buch reizte, war die Tatsache, dass die Handlung auf einem wahren Fall beruht. Die Autorin hat zwar alle Namen (auch den des Ortes) verändert und in eine Romanhandlung eingebettet, aber Zeitpunkt, Opfer, Täter und Aufklärung sind „true crime“. In einem sehr interessanten Nachwort führt Tina Seel präzise aus, was alles wirklich geschah und auch, wie sie selbst in die Handlung passt, denn die Tat geschah in ihrer direkten Nachbarschaft, sie war damals neun Jahre alt.

 

Vermutlich, weil sie selbst in einem kleinen Dorf aufgewachsen ist, kann sie so authentisch wiedergeben, wie sich die Menschen dort benommen und gefühlt haben. Die Atmosphäre ist immens dicht, man steht beim Lesen gefühlt mitten in der Handlung. Ich war schwer fasziniert und mochte das Buch nicht aus der Hand legen.

In verschiedenen Zeitlinien erlebt man sowohl die Tat mit als auch die Vergangenheit und Entwicklung einiger wichtiger Charaktere. Dadurch weiß man als Leser zwar recht früh, wer hinter der Tat steckt, die Spannung leidet darunter aber nicht, denn man spürt deutlich, welches Gefahrenpotential weiter in dem Täter liegt.

 

Interessant ist zudem, die Dynamik einer solchen Dorfgemeinschaft zu beobachten. Da gibt es viel Gutes, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung, aber auch reichlich Schlechtes, wie beispielsweise Heimlichtuerei, Verlogenheit und hemmungsloses Lästern. Und wenn man erkennt, wie das Monster erstand, wird wieder einmal deutlich, dass es meist mehr als ein Opfer gibt.

 

Fazit: Nichts ist grausiger als die Realität. Auch dieser wahre Kriminalfall hat es in sich und wird auf packende Art in eine Romanhandlung eingearbeitet.