Rezension

Ein Sommer ohne Angst- doch ist Angst wirklich etwas Negatives?

Marias letzter Tag - Alexandra Kui

Marias letzter Tag
von Alexandra Kui

Bewertet mit 3 Sternen

Die 16jährige Louise Fee Goldt, kurz Lou, wohnt in einem Dorf in Norddeutschland. Ihr Leben ist geprägt von Ängsten, die ihre Eltern schüren: Viren, die furchterregende Krankheiten verbreiten, Autofahrer, die Tramper ermorden, der Notendurchschnitt von Lou, der Wasserpegel, die Finanzkriese, oder vieles andere. Zuhause fühlt sie sich unwohl, vergleicht das Haus mit der Titanic. Doch wann wird das Unglücksschiff sinken?
Was Lou nicht weiß, ist dass ihre beste Freundin Maria- die perfekte Maria- auch große Angst hat. Die am Anfang der Geschichte sehr ich-bezogene Lou bemerkt es einfach nicht. Dabei war Maria immer der fröhlichste, glücklichste Mensch. Sie war C-Dur Maria, während Lous Leben ein fis-mol Walzer war.
Maria hat Angst, an Brustkrebs zu erkranken und nachdem sie von einem Zug erfasst wird, liegt sie im Koma. Es wird vermutet, dass es sich um einen gescheiterten Selbstmordversuch handelt.
Bald schon packt Lou die große Angst vorm Leben. Sie weiß, dass sie sterben wird, hat bemerkt, welche fatalen Folgen Angst haben kann und wohin sie einen führen kann.
Und so ruft sie den Sommer ohne Angst aus: Sie will mutiger werden! Sie will keine Angst haben! Sie will leben! Sie will so tun, als sei jeder Tag ihr letzter Tag! Sich so fühlen wie Maria, bevor das Unglück geschah!
Um ihre Botschaft mit anderen Menschen zu teilen, um ihnen zu zeigen, dass das, wovor sie Angst haben, gar nicht angsteinflößend ist, eröffnet Lou einen eigenen Youtube-Kanal: "Marias letzter Tag".
Schon nachdem sie ihr erstes Video hochgeladen hat, hat sie extrem viele Follower. Je mehr Videos sie hochläd, desto berühmter und beliebter wird sie. Lou blüht auf, beginnt, sich immer härteren Herausforderungen zu stellen und versteht die Konsequenzen nicht.
Denn nicht jeder ihrer Follower kann ihrer Botschaft wirklich folgen. Ihre Fans versuchen sich zu übertrumpfen, bis Lou irgendwann die Kontrolle über "Marias letzter Tag" verliert..
Und dann kommt sie dem Jungen, auf den sie steht, Ingi, immer näher.. Doch kann aus den beiden etwas werden?

Der Schreibstil ist sehr besonders. Die Sätze sind kurz gehalten, präzise und es wird sich einer Jugendsprache bedient. Mir gefällt jedoch ein ausgeschmückter Schreibstil mehr.. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich an den Schreibstil gewöhnt hatte.
Lou konnte ich die größte Zeit des Buches über nicht verstehen.. Ihre Sicht auf die Dinge war oft nicht wie die eines Jugendlichen.. Kritik am Channel = Kritik an ihr? Außerdem finde ich es schade, dass sie sich scheinbar nur über ihren Youtube-Channel definiert.. Zu Beginn ist sie extrem pessimistisch, irgendwann wird sie ganz euphorisch, jagt eine Angst nach der anderen, scheint die Klicks und Follower zu brauchen, um nicht mit der Titanic zu sinken.. Auch ihre "Taten gegen die Angst" konnte ich manchmal nicht nachvollziehen, habe nicht verstanden, in wie weit das mit Freiheit zu tun haben soll.. Manchmal hätte ich Lou am liebsten einmal durchgeschüttelt, da sie die Folgen ihrer Handlungen, auch in den Leben anderer, nicht absehen konnte.
Jedoch ist die Thematik des Buches sehr interessant: Was würdest du tun, wenn heute dein letzter Tag wäre? Welche Ängste würdest du überwinden? Was würdest du dich auf einmal trauen? Und in wie weit ist das eigene Umfeld für Ängste verantwortlich? Was ist die richtige Art mit der Angst umzugehen? Wie kann man mit der Angst leben, ohne etwas von der Welt zu verpassen?
Der Text wird aufgelockert durch die Hashtags zu Lous Videos und durch Fotos. Immer wieder werden Szenen, die Lou filmt beschrieben, wobei hier die Sätze noch kürzer gehalten sind und die Passagen noch sachlicher geschrieben sind. Zwischendurch wird auch aus Zeitungsartikeln zitiert und man merkt, dass sich die Autorin mit dem Thema der Angst (oder des Angstverweigerns) auseinandergesetzt hat; man erfährt zum Beispiel über die Fire-Challenge.
Leider kam mir das Ende wiederum konstuiert vor und in der Realität sehr unwahrscheinlich...

Nach Angaben des Verlags ist das Buch besonders für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet, ich vermute aber, dass Zwölfjährige einen besseren Zugang zu dem Buch finden können. Dann ist dieses Buch bestimmt ein sehr guter Weg, sich mit den Gefahren und Vorteilen von Ängsten auseinanderzusetzen.

Alles in allem kann ich dieses Buch durchaus weiterempfehlen. Es liest sich schnell und regt zum Nachdenken an. Die Thematik des Buches ist wichtig, denn Angst betrifft jeden von uns, Jeder sollte sich über einen gesunden Umgang mit Angst Gedanken mach und sich fragen, in wie weit er Ängste überwienden sollte. Außerdem, um zu erfahren, wie gefährlich es werden kann, wenn man andere zu übertrumpfen versucht, im Wettstreit um den Platz des Furchtlosesten.
Ein Buch darüber, wie eine Botschaft falsch aufgefasst, verherende Folgen haben kann.