Rezension

Ein unbequemer Roman

Vater unser - Angela Lehner

Vater unser
von Angela Lehner

Bewertet mit 5 Sternen

Eva Gruber wird in eine Wiener Psychiatrie eingeliefert , weil sie behauptet eine Kindergartengruppe getötet zu haben. Scheinbar passt sich Eva dem Klinikalltag an. In den Einzelstunden tritt sie ihrem Therapeuten Dr. Korb selbstbewusst und schlagfertig gegenüber. Auch Evas jüngerer Bruder Bernhard ist Patient in dieser Klinik. Der 22jährige leidet an akuter Magersucht. Als große Schwester fühlt sich Eva für ihren Bruder verantwortlich. Doch er will sie nicht in seiner Nähe haben.

Eva lügt immer! Dieser Meinung waren ihre Mitschüler im Kärntner Dorf, in dem Eva aufwuchs. Was ist Lüge, was ist Wahrheit und welche Rolle spielt dabei die individuelle Perspektive? In Evas Lügen findet sich viel Wahres, dennoch ist ihr Wesen durch und durch manipulativ.

Im Gefüge der Familie muss sie sich behaupten. Ist die Rolle, die sie schon als Kind übernahm, der Grund für ihr Verhalten? Wir, die Leser, lernen die Familie Gruber aus Evas Sicht kennen. Kurze Abschnitte unterbrechen die Gegenwart und erzählen aus dem vergangenen Alltag der Familie Gruber. Woher kommt der gegenwärtige Hass auf den Vater? Welche Erinnerung Evas ist echt, welche resultiert aus einem Schutzmechanismus heraus? Was ist mit der Familie geschehen, dass es beide Kinder bis jetzt verfolgt?

Als Leser weiß man nie genau, woran man bei dieser Eva Gruber ist. Sie ist über alle Fehler erhaben, arrogant und trotzdem entwickelt man großes Mitgefühl und Respekt für die junge Frau.

Die Sprache im Buch ist deutlich und oftmals mit österreichischen Ausdrücken angereichert. Jedoch täuscht sie nicht über die Dramatik dieses Romans hinweg. Es ist ein unbequemer Roman, mit einer sehr starken Hauptfigur. Was für ein Debüt!