Rezension

Ein Vorhaben auf Abwegen

Was geschieht in der Nacht -

Was geschieht in der Nacht
von Peter Cameron

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Ehepaar aus New York begibt sich auf eine lange Reise an einen Ort im nördlichen Europa, um dort ein Baby aus einem Waisenhaus zu adoptieren. Wir treffen die beiden im Zug durch eine verschneite Landschaft. Sie ist angeschlagen, nicht nur von einem kleinen Stolperunfall auf einem Markt, sondern auch von ihrer tödlichen Krebskrankheit. Er ist um sie besorgt, will ihr auch ihren letzten Wunsch, ein Kind zu bekommen, mit dieser Reise ermöglichen. Der Zug fährt in die Dunkelheit, die umso abrupter erscheint, als dass sie einen dichten Wald durchqueren, und hält an einen verlassenen Bahnhof, der aber den Namen des Zielortes des Paars trägt. Sie steigen aus und haben Glück ein einziges Fahrzeug mit scheinbar wartendem Fahrer für sich zu gewinnen, der sie stumm zum gebuchten Hotel fährt.

Bei diesem düsteren, hoffnungslosen Intro sprang bei mir sofort die Fragentrommel an und entließ mich erst einmal in die Lobby eines pompösen Hotels. Die erschöpfte Frau wird im Zimmer zur Ruhe gebettet, der ruhelose Mann lernt die alterslose Livia in ihrem Bärenfellmantel kennen. Livia gehört zum illustren Personal des Hotels und der Geschichte, denn sie wird das Vorhaben des Paares, das Kind abzuholen noch gehörig durcheinander bringen.

Diverse Vorkommnisse und Abschweifungen lassen das Ziel, das Eheglück mit einem Kind zu krönen, in scheinbar weite Ferne rücken. Überzeugungen werden gekippt, Wahrheiten verkehrt und Selbstverständlichkeiten ignoriert. Letzteres ist es dann auch, was manche dem Surrealismus zuschreiben, mich aber verärgert und ratlos zurückgelassen hat. Die vielen Fragen (aus meiner Trommel) wurden nicht beantwortet, im Gegenteil. Der Autor entfacht mit seinem wilden Mix aus Sprachen, Gegebenheiten und Länderfakten eine Debatte um die wahre Örtlichkeit dieser Geschichte, in der soviel schreckliche Sachen passieren. Auch die Handlung der Protagonisten schweift in Sexabenteuern, kuriosen Heilsversuchen eines Gurus und viel, viel Alkohol an der Hotelbar ab. Sachen die passieren, scheinen keinerlei weitergehende Konsquenzen zu haben und das Verhalten sämtlicher Personen wechselt ständig.

Dennoch kommt die Geschichte zu einem erwartbaren Ende, dessen Wege keineswegs geradlinig waren. Und wieder ist es das Verhalten des Mannes (der über die ganze Strecke keinen Namen bekam), das mich geradzu sprachlos das Buch zuklappen ließen.

Für ein Urban Fantasy, waren mir die phantasitischen Elemente nicht eindringlich genug. Die handfesten habe ich eher der krankheitsbedingten Verworrenheit der Frau zugesprochen, die weniger offensichtlichen (wie zum Beispiel den wartenden Fahrer am Bahnhof) kamen mir zu flapsig hingeworfen vor. Sie wurden im Nachhinein nicht mehr erwähnt und hatten auch kein Nachspiel. Der Autor sah sich wohl auch nicht genötigt, das Augenmerk des Lesers darauf zu lenken. Seine Einwürfe der "schrecklichen Dinge" hingegen, scheinen aus diversen Nachrichtenquellen zu stammen und vereinen sich hier zum wahren Horrortrip, im Rückentext auch als sanfter Albtraum bezeichnet. Als "komisch und hoch unterhaltsam" habe ich es allerdings nicht empfunden. Wer's moag, i net!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 17. Juli 2022 um 23:33

Hahahaha, so ist es richtig!! Sag es ruhig laut. Was bin ich froh, diesem Roman entgangen zu sein.