Rezension

Eine manipulative Protagonistin

Vater unser
von Angela Lehner

Bewertet mit 4 Sternen

Eva Gruber wird von der Polizei in die psychiatrische Abteilung des alten Wiener Spitals gebracht. Sie erzählt dem Psychiater Doktor Korb ihre Geschichte. Aufgewachsen ist sie in einem Dort in Kärnten, wo man streng katholisch ist. Sie hat noch einen Bruder namens Bernhard, den sie retten will. Den Vater möchte sie am liebsten töten.

Diese Geschichte wird aus der Perspektive von Eva Gruber erzählt, so dass ich immer sehr nahe an ihr dran war. Dennoch ist sie mir nicht sympathisch, denn sie manipuliert und ist rechthaberisch. Aber ihre Gedankengänge zeuge auch von Verzweiflung und Leid. Nur wurde ich zunehmend unsicher, was Wahrheit ist oder Lüge. Somit wurden auch meine Gefühle ihr gegenüber immer zwiespältiger. War Mitleid angebracht und eher Widerwille? Ist Eva krank oder ist sie nur eine perfekte Schauspielerin, die andere auf ihre Seite ziehen will? Schon als Kind hat sie die Lüge geschickt genutzt, um in ihrer dysfunktionalen Familie und dem Umfeld durchzukommen.

Nun hat sie jedenfalls geschickt ihr Ziel erreicht und ist ihrem magersüchtigen Bruder näher, der auch hier im Spital ist und den sie retten will. Dabei zeigen sich im Gespräch mit Doktor Korb durchaus auch witzige Situationen.

Je länger man liest, umso mehr fragt man sich: Was ist normal?

Dieser Roman hat eine sehr ernste Thematik, auch wenn er sich leicht und flüssig lesen lässt und manchmal sogar humorvoll ist.