Rezension

Eine Reise mit Überraschungen, Mord inklusive

Mord in Nizza -

Mord in Nizza
von Andrea Instone

Bewertet mit 4 Sternen

Amüsanter Cosy Crime vor eleganter Kulisse rund um eine lebenslustige Protagonistin, von der man gerne jederzeit wieder lesen möchte.

Um es vorweg zu nehmen – ich habe mich fast durchgängig gut unterhalten gefühlt bei der Lektüre dieses Cosy Crime (der im Übrigen tatsächlich Anspruch darauf erheben kann tatsächlich einer zu sein)! Das ist vor allem der Protagonistin Elizabeth – Lizzie – Teague geschuldet, deren grenzenlose Lebenslust, nachdem sie sie zum Glück wiedergefunden hat, einfach ansteckend ist. Nach langen Jahren, in denen sie zunächst die angepasste Ehefrau und dann, nach dem Tod ihres Mannes auf den Schlachtfeldern des Großen Krieges, die ebenso angepasste Schwiegertochter war, bis sie von ihrer ihr übel wollenden Schwiegermutter – wie weiland im Märchen – vor die Tür gesetzt wurde, ergreift sie die Chance, die eine Veränderung ihres trost- und zukunftslosen Lebens verspricht – und stürzt sich – naiv und unbedarft, wie sie dem Leser zunächst erscheint, Hals über Kopf in ein Abenteuer, dessen Folgen sie nicht absehen konnte, als sie der überraschenden Einladung einer gewissen Flossie (warum kann man es nicht bei Florence lassen?), die sie aus Pensionatszeiten kennt, ohne je wirklich mit ihr befreundet gewesen zu sein, Folge leistet und zu ihr nach Nizza reist. Ins Nizza der 20er Jahre, mondän auch wenige Jahre nach dem Krieg bereits wieder, Sommerfrische der Briten, von dem Alexandre Dumas dereinst sagte, dass es eigentlich eine englische Stadt sei, in der man gelegentlich auch einen Einheimischen treffen könnte.

Lizzie ist berauscht – wer könnte es ihr verdenken? So berauscht, dass sie sich auf den reichlich seltsamen Auftrag der eleganten, eigenwilligen, egozentrischen Flossie einlässt, Beweise für die vermutete Untreue ihres reichen Ehemannes zu finden – und sich dazu von der Landpomeranze aus Penzance in die hübsch ausstaffierte Kunsthändlerin Mrs. Davis verwandelt. Flossie zahlt für die Metamorphose, und sie zahlt reichlich! Überwältigt von der neuen Welt und all dem Luxus, dessen sie plötzlich teilhaftig wird, lässt sich Lizzie mitten hineinziehen in das, was für sie das Leben, die große weite Welt ist, ohne zu hinterfragen, ohne gewisse Unstimmigkeiten und Merkwürdigkeiten wahrzunehmen oder wahrnehmen zu wollen.

Da Lizzie jedoch einen klugen Kopf auf den nunmehr elegant umhüllten Schultern trägt und dazu noch eine aufmerksame und scharfsinnige Beobachterin ist, merkt sie allmählich, dass die Geschichte, die Flossie ihr auftischt, falsch klingt, und es kommt alsbald der Verdacht auf, die Marionette in einem ausgeklügelten Spiel zu sein, wobei bis fast zum Schluss weder ihr noch dem eifrig miträtselnden Leser klar ist, wer da welche Fäden zieht. Ihr Verdacht wird zur Gewissheit, als sie in ihrem Zimmer im exklusivsten Hotel am Platz, so freigebig von der großzügigen Flossie bezahlt (für eine lediglich Bekannte wohlweislich, nicht etwa für eine Freundin!), die Leiche eines Mitglieds des Zirkels der reichen Müßiggänger, in dem sie sich seit ihrer Ankunft in Nizza bewegt, findet. Und urplötzlich (für den Leser kommt das jedoch nicht überraschend) stellt sie fest, dass sie die Hauptverdächtige ist!

Um sich von dem schlimmen Verdacht reinzuwaschen taucht Lizzie unter und ermittelt selber, unterstützt von dem ebenso geheimnisvollen wie attraktiven Gaston, den der Leser allerdings unvoreingenommen höchstselbst kennenlernen sollte, und der Exilrussin Vera – sowie einer Reihe von glücklichen, wenn auch unwahrscheinlichen Zufällen, einer ganzen Armee Schutzengel, wie es scheint, und jeder Menge turbulenten Durcheinanders, das sich zum Schluss jedoch wie erwartet aufklärt. Nicht aber ohne allerlei überraschende Wendungen, aussichtslos erscheinende Zwickmühlen und peinliche Enthüllungen, wie es sie nur in Romanen gibt.

Die größte Überraschung aber ist die Protagonistin selbst und deren pfeilschnelle Verwandlung von der unterdrückten Schwiegertochter zur leidenschaftlichen und unerschrockenen Abenteurerin, die in aussichtslosen Lagen erst so richtig aufblüht und der es gar nicht gefährlich genug sein kann!

Realistisch oder an den Haaren herbeigezogen? Sicher letzteres, doch das ist, da insgesamt der Logik trotz allen Wirrwarrs durchaus Genüge getan wurde, zweitrangig. Es ist dies schließlich eine Geschichte, erfunden, flott und fröhlich erzählt und in einer solchen dürfen unwahrscheinliche Zufälle und stark überzeichnete Charaktere, denn das sind die Figuren, denen wir im Roman begegnen, im Grunde allesamt, genauso wie alberne Slapstick-Einlagen selbstverständlich ihren Platz haben!