Rezension

Eine seltsame Selbstfindung

Der unglaubliche Sommer des Tom Ditto - Danny Wallace

Der unglaubliche Sommer des Tom Ditto
von Danny Wallace

Bewertet mit 4 Sternen

Nach Schichtende findet der Nachrichtensprecher im Frühstücksradio Tom Adoyo zu Hause einen Zettel seiner Freundin Hailey mit dem Text „Tom, ich habe dich nicht verlassen. Aber ich bin weg. Mach bitte weiter wie immer. In Liebe, …“ Tom ist erschüttert. Auf der rastlosen Suche nach einer Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden stößt er auf eine seltsame Selbsthilfegruppe namens CC (carbon copy) mit  einer kleinen Gruppe von Menschen als Mitgliedern, die nicht zufrieden mit ihrem Leben sind. Sie folgen wildfremden Leuten auf der Straße und imitieren alles, was diese machen. Um ihrem Leben einen Sinn zu geben, versuchen sie, jemand anders zu sein. Vor allem die CC-Anhängerin Pia lässt Tom ein neues Bild von der Person Haileys und auch von sich selbst gewinnen und wird zunehmend wichtiger für ihn ...

 

Die hinter der Geschichte stehende Idee der Imitation anderer Menschen zum Zwecke der Selbstfindung ist sehr ungewöhnlich, man könnte auch schräg sagen (einer auch im Text immer wieder benutzten Vokabel),  fesselt aber gerade hierdurch den Leser, sofern er sich auf sie einlassen will. In gewisser Weise ernsthaft untermauert und wissenschaftlich fundiert wird diese fantasievolle Thematik durch eingestreute kurze Passagen aus einem Interview mit Prof. Esra Cockroft, dem fiktiven Begründer der Idee des Kopierens anderer. Er entwickelt eine eigene interessante Theorie hierzu, die durchaus zum Nachdenken anregt. Auf ebenso ernster Linie liegt Toms langjährige Erkrankung an Depressionen. Doch auch der Humor kommt nicht zu kurz. Recht witzig zu lesen ist etwa, welche Ausreden Pia parat hat, wenn sie mit Tom von Verfolgten ertappt wird oder wie Toms Kollegin einen fehlerhaften Eintrag auf einer Partnerbörse einstellt (aus „Ich bin siebenunddreißig und Schottin“ wird „Ich bin sieben und dreiste Schottin“). Die Lesart ist recht angenehm. Der Leser fühlt sich in das Geschehen hineinversetzt, wird er doch wiederholt direkt angesprochen. Als anstrengend zu lesen habe ich allerdings die Passagen rund um Toms Tätigkeit für den Radiosender empfunden. Als deutscher Leserin  ist mir die englische Medienszene einfach nicht geläufig genug. Auch die unzähligen Rund-Emails aus der Personalabteilung des Senders betreffend Arbeitsverhalten ergeben für mich keinen rechten Sinn. Vermutlich sollen sie schlichtweg auflockern, genau wie die ewig gleichen Floskeln, die Tom bei der Ansage des Wetters benutzt („mit Höchsttemperaturen bis zu neunzehn Grad in der Hauptstadt“, „Und schon sind Sie wieder auf dem neuesten Stand“).

 

Wer ungewöhnliche Romane liebt, dem sei dieses Buch empfohlen.