Rezension

Eine spannende Reise ins 20. Jahrhundert

Wainwood House - Rachels Geheimnis - Sarah Stoffers

Wainwood House - Rachels Geheimnis
von Sarah Stoffers

Pro:
Das Cover ist hübsch und passend für einen historischen Roman, allerdings ein klein wenig nichtssagend - was dem Inhalt kein bisschen entspricht, denn "Wainwood House" ist eine gelungene, originelle Mischung aus Historie, dunklen Geheimnissen, unerwarteten Freundschaften und einer Prise Liebe.

Ich bin kein Experte für historische Romane, aber ich habe den Eindruck, dass dieses Genre zur Zeit eine eher untergeordnete Rolle bei den Jugendbüchern spielt. Zwischen all den dystopischen und fantastischen Romanen war dieses Buch für mich eine rundum angenehme Überraschung und ein frischer Wind in der Jugendliteratur! Wer hätte es gedacht - obwohl die Geschichte im Jahr 1907 spielt, ist sie kein bisschen angestaubt.

Mir fällt es schwer, "Wainwood House" in eine Schublade zu stecken. Es gibt viele Passagen, in denen die Autorin hauptsächlich die Welt des frühen 20. Jahrhunderts vor uns auferstehen lässt. Sie zeigt den Lesern ein zwiegespaltenes England, in dem Adlige und Bedienstete völlig unterschiedliche Leben führen - und dennoch beide den Zwängen und Erwartungen einer Gesellschaft voller Rituale und sozialer Spielregeln unterliegen.

Jane muss diese Rituale und Spielregeln erst lernen, da sie nicht in England aufgewachsen ist, sondern auf den Ausgrabungsstätten ihres Vaters in Ägypten. Jetzt muss sie Tag für Tag schuften und sich abrackern, und das möglichst höflich lächelnd und knicksend. Ihr neues Leben besteht aus harter, unablässiger Arbeit, und dabei sieht sie sich dem Misstrauen und Vorurteilen der anderen Dienstmädchen gegenüber.

Penny dagegen ist die jüngere Tochter des Hauses. Auf den ersten Blick hat sie das leichtere Leben, denn sie muss keinen Gedanken an Dinge wie schmutzige Wäsche oder dreckige Böden verschwenden. Von ihr wird erwartet, dass sie graziös und einnehmend weiblich ist. Sie soll tanzen und musizieren können, und gepflegte Konversation mit potentiellen Ehemännern führen, ohne dabei die Gesetze der Schicklichkeit zu verletzen. Dabei würde sie viel lieber als Forscherin die Welt bereisen.

Beide Mädchen wollen mehr vom Leben als die ihnen zugewiesene Rolle erlaubt, und das fand ich spannend und unterhaltsam zu lesen - auch in Passagen, in denen die Handlung an sich nicht sonderlich vorankommt. Ich fand diese Passagen sogar wichtig, denn sie erlauben es dem Leser, in diese Zeit regelrecht einzutauchen!

Die Charaktere waren für mich alle echt und glaubwürdig, und ein paar davon werde ich sicher länger in Erinnerung behalten. Sehr erfrischend fand ich, dass es keine Liebesgeschichte nach Schema F gibt. Zwar gibt es zwischen verschiedenen Charakteren starke Emotionen - manchmal offensichtlich, manchmal versteckt und sogar verboten -, aber die Autorin überlässt es dem Leser, diese Geschichten zu entdecken, ohne sie ihm mit dem Holzhammer um die Ohren zu hauen.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, denn ihm gelingt eine echte Gratwanderung. Einerseits vermittelt er ein historisches Flair, andererseits wirkt die Sprache sicher auch auf moderne junge Leser nicht hölzern oder zu förmlich.

Kontra:
Gegen Ende hätte ich gerne noch mehr über viele der Charaktere erfahren, und wie es mit ihrem Leben weitergehen wird!

Zusammenfassung:
Wer gerne historische Romane liest, sollte "Wainwood House" auf jeden Fall eine Chance geben - und wer NICHT gerne historische Romane liest, vielleicht trotzdem auch. Die Gefühlswelt der Protagonistinnen, die Geheimnisse und Intrigen, die sie umgeben, werden sicher auch Leser anderer Genres ansprechen