Rezension

Eine tolle Idee, die leider einer schwachen Umsetzung zum Opfer fällt

So wie Kupfer und Gold - Jane Nickerson

So wie Kupfer und Gold
von Jane Nickerson

*Worum geht's?*
Als Sophias Vater stirbt und seine vier Kinder elternlos zurücklässt, trifft es die Familie hart. Zum Glück erklärt sich Sophias Patenonkel, der reiche Monsieur Bernard de Cressac, dazu bereit, sich ihrer anzunehmen. Für Sophia, die Monsieur Bernard schon als kleines Mädchen anhimmelte, erfüllt sich damit trotz der schwierigen Zeit ein großer Traum. Ihr einflussreicher Onkel tut alles, um Sophia glücklich zu machen und überhäuft sie mit schönen Kleidern und Schmuck. Eigentlich könnte alles perfekt sein. Doch dann macht Monsieur Bernard Andeutungen – und Sophias Bild gerät ins Wanken. Ist ihr Patenonkel wirklich der Held, für den sie ihn gehalten hat?

*Meine Meinung:*
Bei „So wie Kupfer und Gold“ handelt es sich um ein Jugendbuch mit historischen und märchenhaften Elementen. Jane Nickerson hat sich von dem Märchen des berüchtigten Blaubarts zu ihrem Debüt inspirieren lassen. Sie erzählt die Geschichte der jungen Sophia, die im Jahre 1855 nach dem Tod ihres Vaters aus Boston zu ihrem Patenonkel nach Mississippi zieht. Monsieur Bernard de Cressac, so sein Name, ist ein Mann, der alles in seiner Macht stehende in die Wege leitet, um Sophia glücklich zu machen. Allerdings nicht, ohne damit gewisse Hintergedanken zu verfolgen…

Wer das Märchen um Blaubart kennt, wird in „So wie Kupfer und Gold“ eine aufregende und spannende Geschichte erwarten, die nicht ohne geflossenes Blut enden wird. Jane Nickerson hält sich mit ihrem Roman nah an der Vorlage – so spielen zum Beispiel Monsieur Bernards Schlüssel eine wichtige Rolle, Sophias Schwester heißt sogar Anne – und schafft mit ihrer Idee und den Themen wie der Sklavenhaltung, die sie in die Geschichte einwebt, ein gelungenes Grundgerüst. Leider scheitert es schließlich an der Umsetzung der Autorin, denn „So wie Kupfer und Gold“ ist alles andere als ein mitreißender Pageturner. Die Handlung zieht sich schier endlos in die Länge, ehe das Buch endlich an Spannung gewinnt. Im Grunde begleitet man Sophia über hunderte Seiten nur durch ihren langweiligen Alltag, bis sich auf den letzten 50 Seiten die Ereignisse überschlagen. Wenn es das Ziel der Autorin war, den Leser an Sophias Langeweile teilhaben zu lassen, ist ihr das mehr als gelungen. Ob das wirklich eine gute Idee war, möchte ich aber stark bezweifeln. Da hilft selbst Jane Nickersons Schreibstil, der mir ausgesprochen gut gefallen hat, nicht mehr viel.

Sophia, manchmal auch Sophie genannt, ist eine Protagonistin, die es ihren Lesern nicht immer leicht macht. Lernt man sie zunächst als unschuldiges junges Mädchen kennen, das mit ihren zarten 17 Jahren noch nicht recht weiß, wo sie hingehört. Sie ist liebenswert, von ihren kupferroten Haaren bis zu den Zehenspitzen, und hat im Grunde die perfekten Grundbausteine, um eine tolle Hauptfigur abzulegen. Leider entpuppt sich Sophia schnell als oberflächliches Naivchen, das sich von schmeichelnden Komplimenten und materiellen Geschenken den Kopf verdrehen lässt. Sie trifft viele unüberlegte, aber auch unverständliche Entscheidungen, über die man nur den Kopf schütteln kann. Erst auf den letzten Seiten entwickelt sich Sophia doch noch zu einer Heldin, auf die man die ersten 400 Seiten vergeblich gewartet hat. Leider kommt dieser Schritt viel zu spät, um Sophia im Gesamtbild noch positiv im Gedächtnis zu behalten.

Monsieur Bernard de Cressac, Sophias Patenonkel und seit des Todes ihres Vaters auch ihr Vormund, ist ein reicher und einflussreicher Mann. Er ist attraktiv und mit seiner einnehmenden Art kann er jeden um seinen Finger wickeln. Kein Wunder also, dass Sophia, die ihn schon seit ihrer Kindheit als „Mythos“ und „Magier“, gar als ihre „Zukunftshoffnung“ anhimmelt, ihm schon bei ihrer ersten Begegnung verfällt. Monsieur Bernard strahlt zweifelsohne etwas aus, das die Aufmerksamkeit der Menschen erregt. Während Sophia sich zu ihm hingezogen fühlt, baut man als Leser instinktiv eine Distanz zu ihm auf. Seine ganze Art lässt einen unruhig werden und einige seiner Taten lassen einen sogar an Sophias Einschätzungsvermögen zweifeln. Dass dieser Herr Dreck am Stecken hat, würde sogar ein Blinder sehen! Trotzdem hat Monsieur Bernard von allen Charakteren in „So wie Kupfer und Gold“ das meiste Potenzial. Er macht neugierig, fasziniert auf obskure Weise, aber leider fehlt es auch ihm an der nötigen Tiefgründigkeit. 

Bis auf Monsieur Bernard de Cressac trifft man in „So wie Kupfer und Gold“ eigentlich auf keinen Nebencharakter, der mehr als eine kleine Statistenrolle einnimmt. Dabei findet man zwischen den Buchdeckeln unzählige Charaktere, die durchaus das Potenzial dazu hätten, mehr als nur ihre Rolle als Diener, Zofe oder Plantagenarbeiter einzunehmen. Bedauerlicherweise gibt ihnen Jane Nickerson nicht die Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. Auch hier fehlt es den Figuren an Tiefe, an Facettenreichtum, an Bedeutung. Schade um das verschenkte Potenzial.

Natürlich gibt es in „So wie Kupfer und Gold“ eine obligatorische Liebesgeschichte für die wunderschöne Sophia. Diese tritt erst relativ spät ins Geschehen und beginnt tatsächlich sehr süß, sodass man im ersten Moment schon fast ein wenig ins Schwärmen geraten könnte. Leider verfällt Sophias Liebesgeschichte schnell dem klischeehaften Schema, das der Romantik ihren Reiz raubt. Innerhalb kürzester Zeit wird von der großen Liebe gesprochen und auch für die nötige Dramatik ist schnell gesorgt. Trotz der Vorhersehbarkeit und des Klischees bietet die Liebesgeschichte so manchen amüsanten Moment, aber die Art und Weise, wie Jane Nickerson Sophias Romanze verlaufen lässt, hat mich schlussendlich doch sehr enttäuscht zurückgelassen.

*Cover:*
Das Cover ist ein absoluter Blickfang! Es strahlt eine tolle Atmosphäre aus, die mich auf den ersten Blick neugierig auf das Buch gemacht hat. Schade, dass die Geschichte mit dem Cover mithalten kann.

*Fazit:*
„So wie Kupfer und Gold“ von Jane Nickerson ist ein Debüt mit einer tollen Idee, die leider einer schwachen Umsetzung zum Opfer fällt. Die Neuerzählung des Märchens um Blaubart hält sich zwar relativ nah an der Vorlage, zieht sich aber durch langatmige Alltagsschilderungen der Protagonistin Sophia in die Länge. Von Spannung fehlt hier jede Spur! Erst als „So wie Kupfer und Gold“ einen Endspurt einlegt, bekommt man die mitreißende Geschichte geboten, auf die man so lange gewartet hat. Leider können auch die blassen und oberflächlichen Charaktere das Buch nicht zu einem Pageturner machen. Hier hat Jane Nickerson wirklich viel Potenzial verschenkt – schade! Für „So wie Kupfer und Gold“ vergebe ich 2 Lurche.