Rezension

Eine wichtige, queere Coming of Age Story, bei der nicht alles an Potenzial ausgeschöpft wurde.

Felix Ever After
von Kacen Callender

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe FELIX EVER AFTER gestern im persönlichen Rekordtempo beendet. Eigentlich immer ein sehr gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass man von der Geschichte eingenommen wird und nicht aufhören kann und will. Was definitiv der Fall war. Und dennoch sitze ich jetzt hier und bin ein wenig ratlos, wie ich das Buch bewerten soll.

Denn zum Einen, kann und will ich mir als weiße Cis Frau kein Urteil über die Umsetzung der LGBTQA+ Themen bilden, die für mich persönlich weitestgehend gut rüberkamen, andererseits habe ich aber durchaus ein paar Kritikpunkte an der restlichen Handlung, die wiederum mit Ersterem verbunden ist. Ich tu mir also gerade ein bisschen schwer damit, die richtigen Worte zu finden.

Vielleicht fange ich deshalb einfach mal mit einer kurzen Zusammenfassung an:

Felix Love ist 17 Jahre alt und war noch nie verliebt. Er würde so gerne wissen, wie sich dieses Gefühl, zu lieben und geliebt zu werden anfühlt, denkt aber auch, dass er, weil er BPOC und trans ist, weniger verliebenswert wäre.  Und dieses Gefühl, das einen Großteil seines Denkens bestimmt, blockiert ihn. In seiner Kunst, in seinem Handeln. Als dann plötzlich eine "Ausstellung" in der Lobby der Schule auftaucht, welche Fotos aus der Zeit vor seiner Transition zeigt und sogar sein Deadname öffentlich bekannt wird, sieht sich Felix zum ersten Mal persönlich mit Transfeindlichkeit konfrontiert. Er ist fest entschlossen, den oder die Verantwortlichen zu finden und sie zur Rede zu stellen. Und weil er bereits einen Verdacht hat, erstellt er sich ein Fake-Instagram-Profil und versucht einen seiner Mitschüler mit Nachrichten aus der Reserve zu locken.
Zeitgleich sucht Felix nach seiner Identität. Ja, er ist trans und ja, er weiß ganz sicher, dass er kein Mädchen mehr ist und sich auch nie wie eines gefühlt hat. Und ja, er weiß auch, dass er sich die meiste Zeit als Junge fühlt. Trotzdem ist da dieses Ziepen in ihm, weil er nicht weiß, welches Label zu ihm passt. Und auch wenn Label keine Rolle spielen sollten, leben wir in einer Welt, in der es scheinbar noch immer nicht ohne geht.

Ich fand diesen Teil der Handlung tatsächlich am Spannendsten, denn auch wenn ich mittlerweile Einiges über die LGBTQA+ Community gelernt habe, gibt es doch so vieles, was ich nicht weiß oder mir vielleicht auch einfach verborgen bleibt. Felix struggled in so vielen Momenten. Da ist die Mutter, die ihn mit 10 Jahren verlassen und sich seitdem nie wieder gemeldet hat. Sein Vater, der ihn nach all seinen Möglichkeiten unterstützt, dem aber auch ein Jahr nach Felix Transition, der Name seines Sohnes nicht über die Lippen geht und der falsche Pronomen benutzt. Er bekommt anonyme, transphobe Nachrichten über Instagram, die ihm keine Ruhe lassen und ihn zusätzlich verunsichern und er sieht sich auch im Kreise seiner "Freunde" immer wieder mit transfeindlichen Sprüchen konfrontiert. Und als wäre das nicht schon genug, ist da auch plötzlich diese Verliebtheit, die Felix sich immer gewünscht hat.

Es passiert also ziemlich viel in Felix' Leben, was den Roman zu einer klassischen Coming of Age Story gemacht hat, besonders als sich dann ein Liebesdreieck entwickelt. Ich mochte das alles sehr sehr gerne, ABER....

Ich hatte Probleme mit Felix. Einige. Denn auch wenn man seine innere Zerrissenheit, seine Gefühle und Gedanken nachvollziehen kann, verhält er sich oft ungerecht gegenüber anderer Charaktere. Besonders schlimm waren für mich die Situationen mit seinem Vater. Ich habe durchaus verstanden, dass es Felix verletzt, wenn sein Vater ihn nicht beim Namen nennt oder irgendetwas sagt, dass Felix trifft. Andererseits hätte ich mir von Felix' Seite auch mehr Verständnis für seinen Vater gewünscht, der ihn wirklich unterstützt und das auch von Herzen will, der aber unaufgeklärt und ein bisschen überfordert wirkt. Ich hätte mir hier mehr Kommunikation zwischen den Beiden gewünscht.

Auch Felix' Racheplan fand ich ziemlich uncool. Natürlich müssen solche unsäglichen Aktionen geahndet werden, aber Selbstjustiz war noch nie eine gute Idee und auch keine Lösung und ich finde, Felix' rutscht hier direkt in eine Art Besessenheit, weil er felsenfest davon überzeugt ist, dass es nur diese eine Person gewesen sein kann.
Er ist so von seinem Ziel getrieben, dass er andere Dinge aus dem Blick verliert.

Ohne Frage, ist FELIX EVER AFTER, ein wichtiges Buch, das wir wirklich brauchen. Aber ich finde auch, dass es noch mehr Potenzial gegeben hätte, welches Kacen Callender hätte ausschöpfen können. Den Fokus, der im letzten Drittel sehr auf der Liebesgeschichte liegt, vielleicht noch intensiver auf die Identitätssuche oder die Auseinandersetzung mit Transfeindlichen Kommentaren und Aktionen oder eben auf die Queerness, legen. Just my 2 Cents, aber für mich hat diese Dreiecksgeschichte das Wesentliche überschattet und das war sehr schade.

Dennoch: Ich habe dazu gelernt, ich wurde unterhalten. Ich mochte die meisten Charaktere und war mitgerissen von der Handlung. Und auf jeden Fall würde ich das Buch immer weiterempfehlen, auch wenn es jetzt nicht das von mir erwartete Highlight war.