Rezension

Engführung einer spannenden Thematik

Maschinen wie ich
von Ian McEwan

Bewertet mit 3 Sternen

Für eine Dystopie haben wir zu viel Philosophie und für einen philosophischen Roman haben wir zu viel Dystopie.

Miranda, Charlie und Adam, diese Dreierkonstellation bildet das Grundgerüst des Romans. Charlie ist ein Technikfreak und hat sich Adam zugelegt, eine hochentwickelte KI, sieht aus wie ein Mensch, denkt wie ein Mensch. Oder?

Um besser erzählen zu können und nicht in einem beziehungslosen Raum zu operieren, verlegt Ian McEwan die Zukunft nach hinten: Man schreibt 1982, datiert anhand von Margaret Thatcher und dem US-Präsidenten Carter. Die Briten führen Krieg, wollen die Falklandinseln zurückholen und scheitern. Die Technik ist weiter als heute.

Diese Rückverlegung und Veränderung der Zukunft ist reizvoll. Sie erlaubt gewisse Seitenhiebe. Sie ist aber nicht so reizvoll, dass sie nicht auch etwas langweilt, wenn Miranda und Charlie seitenweise über das Für und Wider dieses Kriegs diskutieren.

Überhaupt engt der Autor seine KI-Geschichte sehr ein, auf die Geschichte der Paarung Miranda-Charlie. Anhand ihrer Lebenskrisen führt der Autor die uralte, wirklich steinalte Frage aus, was Wahrheit ist. Und wie sich Moral angesichts der Wahrheit einreihen muss in menschliche Entscheidungen. Dabei hätte er in die Weite gehen müssen, mindestens zwei, drei weitere Geschichten anderer KIs bringen müssen, um den Roman aus seiner Engführung zu befreien.

Diese moralischen Grundsatzdiskussionen am angewandten Fall killen den Roman. Denn darüber haben Philosophen jahrhundertlang spekuliert und gedacht und geschrieben und diskutiert. Das sind Fragen und Probleme, die schon Dutzende Male, Hunderte Male verhandelt worden sind. Olle Kamellen sind das. Nicht das geringste bisschen neue Erkenntnis. Die mehr oder weniger langatmigen Dialoge über moralische Dinge haben den Roman verlangsamt und überfrachtet.

McEwans hat sich in seine Kleingruppe verhakt und findet nicht mehr heraus.

Was mir fehlte, ist die schriftstellerische Weite in die Gesellschaft hinein. Was haben die ganzen KIs in der Gesellschaft verändert? Hierzu hören wir wenig bis nichts. Nur, dass all die Adams und Eves kollektiven Selbstmord begehen, weil sie mit der Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur nicht zu Recht kommen. Auch eine Lösung. Allerdings eine kurze und ausweichende.

Fazit: Für eine Dystopie haben wir zu viel Philosophie und für einen philosophischen Roman haben wir zu viel Dystopie.

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Verlag: Diogenes, 2019

Kommentare

yvy kommentierte am 22. Juli 2019 um 13:44

Schon länger auf meiner Wunsch-/Merkliste und durch deine Rezi jetzt wieder in Erinnerung gerufen. Klingt total interessant.