Rezension

erschreckend-faszinierende Zukunftsvision (4,5)

Forbidden Touch 1: Sieben Sekunden - Kerstin Ruhkieck

Forbidden Touch 1: Sieben Sekunden
von Kerstin Ruhkieck

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Atomkrieg und Naturkatastrophen haben Europa zerstört. Die Überlebenden haben eine Gesellschaft mit neuen Regeln gegründet: Die Bevölkerung ist in Ligen unterteilt, jeder trägt einen Chip. Berührungen werden überwacht, um Gewalttaten zu verhindern. Aber auch zärtliche Berührungen stehen unter Aufsicht, denn Idealerweise soll jeder bis zum 18. Geburtstag  verheiratet sein. Während Crish seine Sichtung, die bestimmt, in welcher Liga er leben wird, bevorsteht, muss die 18-jährige Novalee in die Siedlung der Unverheirateten ziehen. Beide werden Menschen treffen, die sie an ihren Überzeugungen und den Regeln der Gesellschaft zweifeln lassen. Doch der Überwachung kann keiner entgehen...

AurA Eupa, das neue Europa zwängt seinen Bürgern strenge Regeln auf. Neben den Erklärungen, die die Figuren während der Handlung geben, enthalten einige Kapitelanfänge Auszüge aus dem Regelwerk des Kontinentes, die das System, das ebenso faszinierend wie erschreckend ist, näher erläutern.

Erzählt wird die Geschichte des 17-jährigen Chris und seiner Cousine. Beide schildern ihre Erlebnisse in der Ich-Perspektive. Dies ermöglicht Einblicke in das Gefühlsleben beider Figuren.
Chris, der in Liga 2 aufwächst, bangt aufgrund seines Aussehens darum, herabgestuft zu werden. Dann müsste er seine Mutter und Schwester, für die er sich verantwortlich fühlt, verlassen. Von Verschwörungstheorien möchte er anfangs nicht wissen, doch mehrere Vorfälle bringen ihn zum Zweifeln. Auch seine Freundschaft zu einem Mitschüler, die in dieser Form laut dem Regelwerk nicht existieren dürfte, bringt seine Gedanken durcheinander. Chris denkt sehr viel über sich und das, was um ihn herum passiert, nach. Für seine Freunde und Familie entwickelt er unerwarteten Mut und Stärke, obwohl er sich selbst für schwach hält.
Chris war mir schnell sympathisch, allerdings drehen sich seine Gedanken teilweise im Kreis, ohne dass er sie vernünftig benennt.

Mit Novalee hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten. Sie ist dem System treu ergeben – sie will Leute meiden, die ihrer Meinung nach gegen die Gesetze verstoßen und denkt mehrfach darüber nach, diese auch zu melden. Den vorgegebenen Lebensentwurf hält sie für ihren eigenen Wunsch und sucht daher nach einem Partner zum Heiraten. Doch schnell trifft Novalee Leute, die ihr helfen und die sie lieb gewinnt, obwohl sie sich nicht ständig an die Vorgaben halten. Auch Novalee gerät ins Grübeln und wird mutiger, selbst kleine Regelverstöße vorzunehmen. In dem Moment, wo sie beginnt, mehr auf ihr Herz zu hören, ist auch sie mir sympathischer geworden.

Die Handlung ist abwechslungsreich und spannend gestaltet. Die Erzählung springt zwischen den beiden Teenagern hin und her, sodass der Leser am parallel ablaufenden Leben beider teilhaben kann. Da die zwei Verwandt sind, gibt es eine Verbindung zwischen ihren Leben. Etwas gestört hat mich allerdings, dass über dritte Figuren ganz viele weitere zufällige Verbindungen hinzukommen, obwohl die Stadt eigentlich ziemlich groß zu sein scheint.

Am Anfang musste ich mich in die fremden Gesetze einfügen, doch das System erklärt sich schnell. Den Weg der zwei Figuren zu verfolgen, ist mit vielfältigen Emotionen verbunden: Freude, Schock, Unverständnis... Dank der Ich-Perspektive kann man mitfühlen, wie es den Figuren ergeht. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto spannender wird es. Das Tempo nimmt zu und je mehr die zwei am System zweifeln, desto mehr geraten sie in Gefahr.

Einen Aspekt fand ich etwas.... abentuerlich? unrealistisch? Ich hoffe, die Fortsetzung erklärt, was es hiermit auf sich hat.
Dank Cliffhanger bleiben am Ende viele Fragen offen.

Fazit: Abwechslungsreiche Handlung in einer zugleich faszinierenden wie erschreckenden Welt. Die Erzählperspektive ermöglicht es, sich in die Figuren hineinzuversetzen, auch wenn ich mit Novalee anfangs nicht warm geworden bin. Es entwickelt sich eine Handlung voller Spannung, aber mit einem sehr offenen Ende.