Rezension

Feinste Unterhaltung!

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste - Philipp Schwenke

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
von Philipp Schwenke

Bewertet mit 5 Sternen

Nachdem er über viele Jahre seine angeblich selbst erlebten Abenteuer in verschiedenen fernen Ländern in seinen zahlreichen Romanen geschildert hatte, brach Karl May 1899 zu seiner ersten und einzigen wirklichen Orient-Reise auf. An dieses tatsächliche Ereignis knüpft „Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“ an. Abwechselnd werden das Leben von Karl May in Deutschland und seine Reise durch verschiedene nordafrikanische und asiatische Länder geschildert. Dabei verschwimmt immer wieder der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion – was passiert der Romanfigur May wirklich und was geschieht nur in ihrem Kopf? Was davon ist der realen Person Karl May passiert und was hat sich der Autor ausgedacht?

Richtige, gute Abenteuerromane erscheinen leider in Zeiten der Fantasy- und Krimischwemme nur noch selten. Philipp Schwenke hat hier einen echten Abenteuer-Wälzer vorgelegt, der gleichzeitig eine Satire ist, ein Schelmenroman und letztlich auch eine Geschichte um eine tragische Figur. Karl May tritt hier mal als Slapstick-Trottel auf, mal als interessierter Fernreisender der Jahrhundertwende, mal als versierter Scharlatan. Meistens aber erscheint er als ein Mensch, der im Leben so viele Geschichten erzählt hat, dass er irgendwann selbst nicht mehr weiß, welche davon wahr sind und welche nicht. Im Bemühen, seinen schwierigen Lebensumständen zu entfliehen, ist er auch vor sich selbst weggelaufen und schafft es irgendwann nicht mehr, sich zwischen seinen ganzen Lebenslügen wiederzufinden.

Die Wahrheit flimmert in diesem Roman. Da die Erzählung immer nah bei Karl May - wohl dem ultimativen unzuverlässigen Erzähler - bleibt, können wir uns beim Lesen nie ganz sicher sein, was eigentlich tatsächlich passiert. So wird mit verschiedenen Ebenen von Lüge, Wahrheit, Flunkerei, Fakt und Fiktion sehr gekonnt und sehr spannend gearbeitet. Ich habe mir gleich noch eine Biographie über Karl May besorgt, um nachzulesen, wie es denn wirklich (oder jedenfalls annäherungsweise) war.

Zwischendurch geht es auch um Mays Ehefrau Emma und die gemeinsame Freundin Klara, die ihre eigenen Persönlichkeiten, Ambitionen und Handlungsstränge erhalten. Insofern hat dieser Unterhaltungsroman vielen „ernsthaften“ biographischen Romanen einiges voraus!

Schließlich ist mir noch positiv aufgefallen, dass das Buch mit einigen liebevollen Details gestaltet ist: statt Vorsatzpapier gibt es vorne eine Karte und hinten eine Aufnahme von Karl May auf seiner echten Orient-Reise. Die Kapitel sind, je nach dem, ob sie in Deutschland oder auf der Reise spielen, mit einem Eichenblatt oder einem Palmwedel gekennzeichnet.

Der Roman ist empfehlenswert für alle, die früher gerne Karl-May-Romane gelesen haben, für alle, die gerne Abenteurromane und/oder Satiren mögen und für alle, die sich für Wahrheit und Lüge und alles dazwischen interessieren. Ich konnte die immerhin 600 Seiten kaum schnell genug lesen und bin komplett begeistert von diesem spannenden, lustigen, tragischen Buch. Da ist einfach alles drin, was ich mag.