Rezension

Finster, todtraurig und originell

Vor einem großen Walde -

Vor einem großen Walde
von Leo Vardiashvili

Bewertet mit 4 Sternen

„Märchen muss man bis zum Ende lesen.“  Das hat Sabas Mutter, immer  gesagt, als sie noch lebte. Und jetzt steckt Saba selbst mitten in einem Märchen, wo der jüngere Bruder den älteren Bruder sucht, der auszog den Vater zu suchen.

Wie Hänsel und Gretel den Brotkrumen folgt er den Hinweisen, die sein Bruder hinterlegt hat, durch den finsteren Wald voller Geister und wilder Tiere. In Tiblissi wurde der Zoo zerstört und jetzt ist man nirgendwo mehr sicher. Wilde Tiere und Soldaten sind allüberall.

Eigentlich waren sie vor dem Krieg in Georgien geflohen. Das Geld rechte nicht für die ganze Familie, deshalb ließen sie die Mutter zurück und sahen sie nie wieder. Den Vater hat sein Gewissen zurück ins Kriegsgebiet getrieben und jetzt auch Saba. Man kann auch aus sicherer Entfernung ein Kriegstrauma davontragen.

Saba wird auf seinem gefahrvollen Weg begleitet von Erinnerungen und den Gespenstern der Toten. Die Grenzen verschwimmen ständig. Seine Reise ist ein einziger Alptraum.

Dieses Buch ist finster, todtraurig und originell. Und auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es mir gefällt, wenn eine Kriegsgeschichte märchenhaft verklärt wird, hat es doch einen morbiden Charme. Es erzählt auf eine höchst innovative Art von den Gräueln eines sinnlosen Krieges.

Shenja Lacher liest das Buch ganz großartig, trifft wunderbar einen Ton, der gleichzeitig georgische Schlitzohrigkeit und tiefe Verzweiflung transportiert, leicht und schwer in einem. Es dauert 12 Stunden und 25 Minuten.