Rezension

Frau sein

Marschlande -

Marschlande
von Jarka Kubsova

Bewertet mit 5 Sternen

„Man kann Frauen viel wegnehmen, man kann ihnen sehr viel antun, aber solange sie das mit sich machen lassen, bleibt es dabei.“

„Marschlande“ ist ein Roman von Jana Kubsova. Er erschien im August 2023 im S. Fischer Verlag.

Abelke Bleken lebte etwa 1580 in den Marschlanden, Britta Stoever lebt am selben Ort, aber viele Jahre später, in der Gegenwart. Abelke führt ihren Hof allein und obwohl sie dieser Aufgabe gewachsen ist, sind die Zeiten für sie gefährlich – Unabhängige Frauen sind nicht mehr erwünscht, obwohl sie es früher einmal waren. Der Aberglaube und damit die Hexenverfolgung sowie die „Erfindung der Hausfrau“ nahmen ihren Lauf, was schließlich auch Abelke zum Verhängnis wurde.
Britta lebt natürlich in einer deutlich moderneren Zeit, doch das Auflösen von Rollenklischees benötigt seine Zeit und so erkennt sie plötzlich, nach dem Umzug in die Marschlande, was sie für ihre Familie alles aufgegeben hat. Natürlich liebt sie ihre Kinder und ihren Mann, wobei sich die Gefühle hier schon irgendwie verändert haben… Unerwartet trifft sie auf die Fußstapfen von Abelke und taucht ab in deren Geschichte, wobei sie nebenbei auch sich selber wiederfindet…

Sehr atmosphärisch beschreibt Jana Kubsova die Geschichten der zwei Frauen, die so unterschiedliche Leben führen und doch so vieles teilen. Der Roman ist keine leichte Lektüre, viel Leid und Traurigkeit schwingt in den Zeilen mit. Die Lebensgeschichten der beiden Frauen rütteln auf und regen zum Nachdenken an. 
Abelkes Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, sie hat in Hamburg gelebt und der Bericht über ihr Leben hat mich sehr traurig gestimmt. 
Brittas Geschichte ist frei erfunden, vermutlich aber nicht selten genau so geschehen. Ihre Entwicklung im Laufe der Handlung gefällt mir sehr gut. Sie kämpft sich quasi frei und erarbeitet sich das Leben, das sie sich eigentlich immer gewünscht hat. Sie ist dabei eigentlich zunächst keine offensichtlich starke Frau, sie nimmt viele Dinge hin und versucht auch gar nicht, sie zu ändern. Erst langsam wird ihr bewusst, was aus ihrem Lebenstraum geworden ist und dass sie wirklich für ihren Beruf als Geologin brennt.
Die Handlung spielt wechselnd in zwei Zeitebenen, gerade die Übergänge sind dabei brillant gelungen und haben mich absolut überzeugt! Der Schreibstil ist auf seine Art ruhig und durch die personale Erzählperspektive ein wenig distanziert, gleichzeitig aber unglaublich mitreißend, weil einfach so stimmungsvoll und berührend! Auch die Landschaftsbeschreibungen haben mir gut gefallen, da sie sich mühelos in die jeweiligen Szenen einfügen und die jeweilige Stimmung unterstreichen.
Deutlich wird, der Feminismus und die Emanzipation sind lange noch nicht so weit, wie sie sein könnten und sollten. Rollenklischees werden nach wie vor in vielen Fällen absolut erfüllt und das Ausbrechen aus ihnen ist alles andere als einfach. Ich habe durch den Roman einiges dazugelernt und gerade das Nachwort der Autorin fand ich mehr als interessant! Mir war absolut nicht bewusst, dass die Frauen im Feudalismus eine andere Stellung in der Gesellschaft hatten und erst im Kapitalismus zu Gunsten der Männer herabgesetzt wurden!

Mein Fazit: Ein Roman, der absolut außerhalb meiner Wohlfühllesezone liegt, mich aber vollkommen überzeugt hat! Wer auf Happy End und rosarote Gefühle hofft, ist falsch aber falsch am Platz. Jana Kubsova schreibt realistische und berührende Worte über die Rolle der Frau und den Feminismus und beschreibt authentisch, wie schwer das Leben eben sein kann beziehungsweise war. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen und eine absolute Leseempfehlung!