Rezension

Gelungener Debütroman

Fünf Kopeken - Sarah Stricker

Fünf Kopeken
von Sarah Stricker

Bewertet mit 5 Sternen

Die Erzählerin – Anna - gibt die Lebens- und Liebesgeschichte ihrer Mutter wieder, akribisch zusammengetragen aus deren Erzählungen, die sie sich auf dem Sterbebett vor dem nahen Krebstod mit knapp 50 Jahren von der Seele redet. Diese Geschichte schreibt Anna sodann auf.

 

Oberhaupt der pfälzischen Familie ist Oskar, ein Patriarch, wie er im Buche steht. Geprägt ist er durch Offizierslaufbahn und Kriegsgefangenschaft in Russland. Preußische Werte hält er hoch. Leistung ist für ihn das Wichtigste. Er arbeitet sich mit einer Modekette erfolgreich hoch.

 

Seine Ehefrau Hilde ist zeitlebens überängstlich seit einem Bombenangriff in ihrer Kindheit in Berlin.

 

Aus der Ehe von Oskar und Hilde geht als „spätes Kind“ die (vornamenlose) Mutter der Erzählerin hervor. Die Angst und das Klammern der Mutter sowie der Drill des Vaters bringen sie um eine unbeschwerte Kindheit. Sie ist hochbegabt und hochintelligent, wird von ihren Eltern unerbittlich gefördert und gefordert und so zur Außenseiterin. Erfolgreiche Versuche in Richtung Partnerschaft gibt es erst mit Arno, einem ostdeutschen, wehleidigen Mann, der die Mutter „liebte …, wie nur jemand lieben kann, der nicht im selben Maß wiedergeliebt wird.“ Mit seiner devoten Liebe erdrückt er die Mutter. Den Eltern ist er hochwillkommen. Die Hochzeit wird von Oskar schon geplant, als urplötzlich Alex ins Leben der Mutter tritt. Alex ist ein jüdischer derber, ungepflegter Einwanderer aus der Ukraine, der die Deutschen verachtet. Angezogen von seinen gelben Augen, verliebt sich die Mutter ernsthaft in ihn. Jetzt macht sie Arnos Erfahrung durch, mehr zu lieben als geliebt zu werden. Sie verfällt Alex völlig, führt mit ihm ein exzessives Sexualleben. Nach außen hält sie ein gutbürgerliches Doppelleben aufrecht.

 

Wird die Mutter mit Arno oder Alex glücklich? Und wer ist Annas Vater?

 

 

Die Liebesbeziehung der Mutter steht im Mittelpunkt des Buches. Diese schildert die Mutter ihrer Tochter erbarmungslos und sich selbst entblößend in allen Details, obwohl es sich doch um einen intimen Bereich handelt, über den Kinder gar nicht alles wissen wollen. Überhaupt ist das Mutter-Tochter-Verhältnis ein schwieriges, zu abweisend ist die Mutter gegenüber der Tochter.

 

Die ganze Geschichte ist geprägt von einem sehr eigenen, lebhaften Erzählstil. Der Ton reicht von witzig über ironisch bis hin zu bissig-humorvoll. Es überwiegen lange verschachtelte Sätze, die die Verworrenheit der familiären Verhältnisse und der Gefühlswelt der Mutter der Erzählerin gut zum Ausdruck bringen. Daneben gibt es aber auch klare, einfache Sätze. Gelegentlich werden auch Worte ohne Punkt und Komma aneinandergereiht, z.B. „Fast schwappt es auf ihre Beine, als sich plötzlich seine Finger um ihre seine Katzenaugen auf sie fährt zusammen heben sie das Glas an ihre Lippen berühren fast seine Haut  riecht nach Zigarette.“ Die Autorin spielt auch gern mit Vorsilben. Das Ganze macht die Lektüre nicht gerade einfach. Dialoge mit pfälzischem Dialekt lassen die Romanfiguren lebensecht erscheinen, z.B. „Dudmawerklischläd.“ Oft habe ich als Leser das Gefühl, die Familie vor Augen zu sehen. Die Romanfiguren sind sämtlich originell, haben ihre Marotten, werden überspitzt, aber dennoch lebensnah dargestellt.

 

Am Ende stellt sich die Frage, ob Sarah Stricker ihre Autobiografie verarbeitet hat.

 

Ein gelungener Debütroman, den ich nur empfehlen kann.

Kommentare

terkina kommentierte am 28. Oktober 2013 um 13:16

Mich hat das Buch auch sehr interessiert. Als ich auf der Frankfurter Buchmesse mal kurz reingelesen habe musste ich allerdings feststellen, dass mir der Erzählstil überhaupt nicht gefällt. Aus diesem Grund ist das Buch leider wieder von meiner Wunschliste gerutscht.