Rezension

Hochgelobt und so gar nicht mein Fall..

Der namenlose Tag - Friedrich Ani

Der namenlose Tag
von Friedrich Ani

Bewertet mit 2 Sternen

Jakob Franck, pensionierter Kommissar, ist ziemlich einsam. Seine neue Freizeit als Rentner vertreibt er sich ohne Frau mit Online- Poker und dem einen oder anderen Bier. Als dann der Witwer einer Frau bei ihm klingelt, die sich vor fast 20 Jahren umgebracht hat, hat er wieder eine Aufgabe. Denn als Kommissar war er vor allem auch für das Überbringen der Todesnachrichten verantwortlich. Als er der Frau damals mitteilen musste, dass ihre Tochter sich im Park erhängt hat, hatte er die ganze Nacht bei ihr verbracht und eine ziemlich starke Verbindung geknüpft(nicht sexuell). Kurz danach brachte sich auch die Frau um, und nun kommt der Vater mit einem unglaublichen Verdacht zum ehemaligen Kommissar. Kommissar Franck trifft sich nun mit Freunden, Nachbarn und Verwandten, um diese alte Geschichte doch noch zu klären. Hat sich die Tochter wirklich selbst erhängt oder hat doch jemand nachgeholfen? Hat der Vater sie vorher missbraucht? Oder der Zahnarzt von nebenan?

Stil, Machart, Meinung

So, hier wird es schwierig, denn ich werde mich in meinem Urteil weit von dem einschlägigen Urteil der Fachwelt entfernen. Vorab sage ich daher: Dieses Buch ist hochgelobt und hat unter anderem den Deutschen Krimipreis gewonnen.  Das mir diese Geschichte nicht gefällt, liegt wohl an mir.

Was ist diese Geschichte? Ein Roman, laut Klappentext. Die Bezeichnung Psychokrimi habe ich auch schon gelesen, und das Buch hat den Krimipreis gewonnen. Die Mischung fand ich interessant, und ich lese wirklich nicht nur Krimis und Thriller sondern gern auch mal einen Roman. Dieses Buch ist ein Roman, definitiv kein Krimi. Klar, es geht um einen Selbstmord der eventuell ein Mord war und die Aufklärung des Geschehens. Aber irgendwie rückt diese Tatsache vor den Details über so viele verlorene Leute total in den Hintergrund und ist auch nicht durch eine grandiose Konstruktion eines Verbrechens am Ende in Richtung Krimi zu rücken. Es ist schon komisch, das man selbst nach den vielen Gesprächen über das verstorbene Mädchen gar nicht so viel über das Mädchen selbst weiß. Über die Befragten Leute weiß man mehr – und vieles davon ist wenig interessant.

Ich bin einfach erleichtert, dass ich endlich mit diesem Buch durch bin. So viele Seiten habe ich mich durch gequält und hatte überhaupt keine Lust, weiterzulesen.  Ich habe zwischen Start und Ende dieser Geschichte mehrere Bücher angefangen und beendet und war jedes Mal etwas bedrückt darüber, dass ich dieses Buch ja auch noch beenden muss.  Glücklicherweise hatte ich das Buch bei einer sehr langen Wartezeit im Wartezimmer bei mir, das hat etwas gebracht.

Warum hatte ich keine Lust auf die Lektüre? –Weil es anstrengend und deprimierend war. Lange, gewollt (manchmal zu gewollt) kunstvolle Sätze voller Melancholie und Figuren, die allesamt sehr deprimiert und auch nicht spannend waren. Es gibt da so Ausdrücke, die finde ich einfach zu hochgegriffen. Diese Sätze scheinen mir nur für ein literarisch anspruchsvolles Publikum gewählt zu sein, welches anscheinend keinen Spaß beim Lesen eines Buches erwartet. Manche Sätze hingegen sind mittendrin einfach sehr schön und ich dachte: WOW! Aber die Anzahl dieser Sätze im Vergleich zu den schwülstigen, langen, unnützen Sätzen, das ist nix für mich. Es gab auch ein paar nette Details und Kleinigkeiten, die ganz nett waren. Aber dann gibt es auch so unnötige und langgezogene Beschreibungen, die für die Geschichte überhaupt nicht bedeutend .

 Der Ermittler ist einsam, schräg, versucht durch Gedankenfühligkeit das Verbrechen zu lösen (und ich weiß auch nach dem Lesen noch nicht, was das überhaupt genau ist!) und wohl auch gern Alkohol.  Dann setzen sich Geister der vergangenen Dienstjahre in seine Küche und leisten ihm Gesellschaft. Wenn er Menschen befragt, dann macht er das manchmal schon sehr geschickt, manchmal denke ich mir aber auch: wieso reden die mit dem überhaupt?

Der Plot und die Charaktere sind gar nicht schlecht, aber man hätte die Geschichte auch fluffig und interessant erzählen können, ohne vollkommen unnötige Details einzuflechten die bei mir die Augenlider in Richtung Süden lenkten.  Ich bin froh, dass mich dieses Buch in keine Depression gestürzt hat. Die letzten 30-40 Seiten waren ganz erfrischend, endlich gab es mal einen positiven Charakter inmitten der verlorenen, depressiven Seelen. Da mir vorher ganz hervorragende Lobeshymnen für diese Geschichte untergekommen waren, hatte ich auch an den Schluss hohe Erwartungen und habe nur wegen der Auflösung weitergelesen. Ich dachte mir, da muss es eine wahnsinnig grandiose Auflösung geben. Nun ja.. ging so.

Gut finde ich den Ansatz, hier größtenteils ohne körperliche Gewalt auszukommen. Es ist ja auch kein Krimi, sondern ein Roman. Aber es geht um ein lange zurückliegendes Geschehnis mit dem Tod als Ausgang, und durch die Befragung verschiedener ehemaliger Freunde und Bekannte soll alles aufgeklärt werden. Kein Blut, kein Gemetzel sondern ein Fokus auf die Figuren. Leider nur überhaupt nicht nach meinem Geschmack..

Die Reihe

Dieser Fall ist Teil 1 des neuen Friedrich Ani – Ermittlers Jakob Franck. Ich werde definitiv nie wieder ein Buch von diesem Autor oder auch Ermittler in die Hand nehmen, habe aber gehört und gelesen das die Reihe um Vermisstenfahnder Tabor Süden sehr gut sein soll.

Hier habe ich etwas gekürzt, damit es nicht zu lang wird. Die Punkte „was lernen wir daraus?“ (für die schreibende Zunft) und „darf man ein Buch so bewerten?“ gibt es auf meinem Wordpress Blog unter dieser Adresse: http://wp.me/p6tREn-1oJtw Würde mich freuen, wenn du zu Besuch kommst!

Fazit

Dieses Buch ist sehr kunstvoll, literarisch hochanspruchsvoll und wird von der Fachwelt in den Himmel gelobt. Von mir leider nicht, denn ich hatte beim Lesen ungefähr so viel Spaß wie beim jährlichen Zahnarzt-Besuch. Lange, manchmal sehr schöne aber oft sehr unnötige Sätze. Eine unglaublich deprimierende Stimmung, detailliert dargestellte, nicht sehr aufregende Charaktere. Keine Spannung aber doch die Hoffnung auf einen Paukenschlag am Ende –der kam leider nicht.

Wer wirklich gern graue, langatmige Romane liest und den Fokus auf meist unnötige Details und viele Szenen legt, die für die Auflösung nicht interessant sind, der ist hier genau richtig. Man kann sich sicherlich an der Andersartigkeit vieler Sätze erfreuen und die Kunst der dramatischen Sätze zelebrieren – ich kann es nicht und vergebe 2 Sterne.  Eigentlich hatte ich so wenig Spaß, dass es auch ein Stern hätte werden können. Aber manche Sätze waren dann doch sehr schön. Die letzten 40 Seiten waren übrigens viel besser als alle Seiten davor, es gab auch mal einen positiven Charakter und die Sätze machten mehr Spaß. Warum konnte der Autor das denn nicht das ganze Buch über? Oder war ich am Ende nur so geschafft, dass es mir nur so toll vorkam?