Rezension

Interessante Geschichte, fabelhaft erzählt

Der Empfänger - Ulla Lenze

Der Empfänger
von Ulla Lenze

Bewertet mit 5 Sternen

Der Rheinländer Josef Klein, Mitte der 1920iger Jahre in die USA ausgewandert, lebt im New Yorker Viertel Harlem. Dort genießt Josef das multikulturelle Essen ebenso wie den Jazz. Sein Geld verdient er in einer Druckerei. Privat begeistert er sich sehr für den Amateurfunk. Mit seinem Funkgerät holt er sich die ganze Welt zu sich nach Hause. Durch seine Arbeit in der Druckerei rutscht Josef in deutschnationale Kreise hinein. Denn auch in den USA findet das deutsche Naziregime immer mehr Anhänger. Obwohl Josef versucht sich von diesen Leuten fern zu halten, schafft er es nicht sich deren Einfluss zu entziehen. So kommt es, dass Josef für die deutschen Nationalsozialisten als Funker tätig wird. Zu spät erkennt er, auf was er sich tatsächlich eingelassen hat. Es könnte sein freies New Yorker Leben mit einem Schlag zerstören.

Die Autorin Ulla Lenze greift ein kaum beschriebenes Thema auf. Die deutsche Nazibewegung in den USA, speziell in New York. Josef fühlt sich nach fünfzehn Jahren in New York mehr als Amerikaner denn als Deutscher. Dennoch wird er in die Machenschaften der deutschen Spionage hineingezogen.

Josef ist arglos und völlig naiv. Auf der Suche nach einer Arbeit, bei der er sein Hobby, das Funken, zum Beruf machen kann, rutscht er immer tiefer mit hinein. Dabei ist er das totale Gegenteil eines Nazis. Er mag die verschiedenen Kulturen, er liebt den schwarzen Jazz und er ist gerne mit der ganzen Welt vernetzt. Doch schafft Josef den Absprung nicht, sich aus den deutschen Kreisen zu lösen. Erst als er die Bedrohung für sein freies Leben erkennt, sucht Josef nach einem Ausweg, doch zu spät. Viel zu tief ist er mittlerweile in die deutsche Sache verstrickt und bereits im Visier des FBIs. Dabei möchte Josef, wie er selbst sagt, niemand sein, er genügt sich selbst.

Zurück in Deutschland bemerkt man Josefs Unruhe. Er fühlt sich eingeengt in die familiären Strukturen. Es fällt ihm schwer mit seinem Bruder Carl über den Grund für seine Inhaftierung zu reden. Josef schweigt und gibt nur das nötigste Preis. Das führt zu starken Konflikten. Carl, obwohl in Deutschland geblieben, hatte weniger Berührungspunkte mit den Nazis als Josef in New York. Und die Verbindungen zu den Nazis sind nicht abgerissen, denn Josef möchte nicht in Deutschland bleiben, er will zurück und das kann er nur mit den alten Kontakten schaffen.

Ulla Lenze erzählt die Geschichte eines deutschen Auswanderers, der Jahre lang fast unsichtbar in der Großstadt New York lebt und plötzlich ungewollt von seinem Heimatland in die Pflicht genommen wird. Die Autorin hat eine großartige, szenische Erzählweise und lässt immer wieder bedeutsame Informationen in den Text einfließen. Für den Leser heißt es, mitdenken und aufmerksam sein. Vieles wird nicht unbedingt ausgesprochen, nur angedeutet. Ihr Schreibstil macht es möglich ganz in die Geschichte einzutauchen. Gerade den Charakter Josef habe ich gut nachvollziehen können. Seine Gedanken, sein sich selbst genügen und seine Unfähigkeit sich zu wehren.

Je Kapitel wechselt die Geschichte zwischen den Zeiten. In erster Linie zwischen New York 1939/1940 und Neuss 1949. Der Roman baut seine Spannung langsam auf, fast nebenbei. Ich habe ihn sehr schnell gelesen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht und konnte ihn nur schwer aus der Hand legen.

Alle, die Interesse an solcher Art Geschichten haben, lege ich diesen Roman ans Herz. Eine großartige, und faszinierende Erzählung.