Rezension

Interessante Prämisse, stilistisch und charakterlich jedoch herausfordernd

Das glückliche Paar
von Naoise Dolan

Bewertet mit 3 Sternen

Die Prämisse fand ich spannend, die Umsetzung aber oft anstrengend und die Figuren überwiegend unsympathisch bis unerträglich.

Ein chaotischer Roman über eine Gruppe Endzwanziger*innen, alle davon queer, klang sehr reizvoll. Ich hatte aber einige Schwierigkeiten mit der Erzählweise und den Figuren.

Die Struktur des Buches, die 5 Perspektiven jeweils ein eigenes Kapitel gibt und im letzten Abschnitt all diese und weitere Figuren miteinander verwebt, hat mir gut gefallen. Die Unterkapitel sind teilweise EXTREM kurz, was ein schnelles Lesen erleichtert. Trotzdem hatte ich immer wieder Abschnitte, die ich doppelt und dreifach lesen musste, weil ich sie einfach nicht verstanden habe.
Das liegt sicherlich auch an der Schreibweise, die ich als wild und abgehackt empfunden habe. Die Figuren reißen ihre Gedanken und Gefühle an, um dann direkt zum nächsten Sachverhalt zu springen. So entstand für mich einfach kein guter Lesefluss.

Das etwas Rotzige und Direkte im Stil hat mir gut gefallen und mich auch immer wieder zum Lachen gebracht. Ich hätte mir das Buch allerdings noch deutlich humorvoller gewünscht.

Mein größtes Problem liegt bei den Figuren selbst. Celine und Luke scheinen sich eigentlich nicht zu lieben, auch wenn sie sich das phasenweise einreden. Ich saß quasi durchgängig vor ihren Kapiteln und musste mich davon abhalten, sie anzuschreien. Und dann dachte ich irgendwie eine ganze Weile, dass sie noch deutlich jünger sind und habe Gnade walten lassen. Aber mit Ende 20 werdet ihr doch wohl mal in der Lage sein, offen miteinander zu sprechen und eure Bedürfnisse zu kommunizieren?! Es hat mich wirklich komplett fertig gemacht, wie delulu Celine in Bezug auf Lukes Verhalten ist und wie unfassbar ekelhaft sich Luke einfach in dieser Beziehung verhält. Sein Kapitel fing unterhaltsam an mit den kläglichen Versuchen, die Hochzeitsrede zu schreiben. Dann steigerte er sich aber so sehr in seine Rechtfertigungen und das eigene Selbstmitleid hinein, dass ich einfach nur noch sauer war.

Archie, Phoebe und Vivian waren für mich die interessanteren Charaktere, kamen mir persönlich aber etwas zu kurz. Andererseits dreht sich die Geschichte ja auch primär um Celine und Luke, von daher ist das wahrscheinlich okay so. Themen wie mentale Gesundheit, Alltagsrassismus und vor allem die heterosexistische Norm wurden angeschnitten, was ich toll fand, aber irgendwie zu schnell wieder verworfen. Es kann natürlich gewollt sein, hier nur kurze Impulse zu geben, aber es wirkte schon irgendwie sehr dahingeworfen auf mich.

Ich bin inhaltlich sehr zufrieden mit dem Ende und fand den rasanten Perspektivenwechsel mit den weiteren Nebenfiguren unterhaltsam. Trotzdem hinterlässt es mich mit vielen Fragezeichen und weiterhin dem Gefühl, dass die Figuren primär aneinander vorbei reden.

Irgendwie liest sich das Buch schnell und gleichzeitig auch wieder nicht. Wer direkte und rotzige Sprache mag, hat sicherlich Freude an dem Buch. Mir fehlte Emotionalität in den Charakteren, die ich zudem überwiegend unsympathisch bis unerträglich fand. Ich bin der gleiche Jahrgang wie die Autorin und kann persönlich gar nicht verstehen, was daran ein „Sittengemälde ihrer Generation“ sein soll. Unsicherheiten sind natürlich normal und Menschen unterschiedlich weit in ihrer Selbstreflexion, das Geschriebene kommt mir dennoch nicht realistisch vor. Wahrscheinlich kann ich mich aber einfach glücklich schätzen, dass ich solche Beziehungen weder selbst noch in meinem Umfeld erleben musste. :D