Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Nuancierte Milieu-Studie der Mittzwanziger bis Mittdreißiger des 21. Jahrhundert

Das glückliche Paar
von Naoise Dolan

Naoise Dolans Roman, der das Ringen und Kämpfen um Liebe und Beziehungen, um Anerkennung, um Autonomie bei gleichzeitiger Abhängigkeit, um sexuelle Freiheit und gegen gesellschaftlich anerkannte Konventionen, macht Spaß und treibt einen zugleich in den Wahnsinn.

Junge Männer und Frauen in ihren Zwanzigern und Dreißigern von heute, zumeist mit höherem Bildungsabschluss, sind Digital Natives, sie wachsen mit Online-Dating und dem Bewusstsein auf, dass das Nächstbeste möglicherweise nur ein Klick (oder Swipe) entfernt ist. Sie leben sexuelle Wünsche und Neugier unbekümmert aus, verlangen maximale Unabhängigkeit durch Unverbindlichkeit und wollen zugleich doch die bedingungslose große Liebe, also das Happy End, mit allen großen Gesten inklusive. Denn das Leben sollte ein Fest sein. Und dabei vergessen sie, dass Beziehungen, platonisch wie romantisch, häufig harte Arbeit sind und die Bereitschaft bedürfen, Kompromisse auszuhandeln, Zugeständnisse zu machen und sich überhaupt voll und ganz darauf einzulassen und verletzt zu werden. Und vor allem braucht es Kommunikation. Statt unausgesprochene Erwartungen und Wünsche, die von den Augen abgelesen werden, wäre der offene Dialog und der Mut, die Maske fallen zu lassen, erforderlich.
Genau daran scheitern auch Dolans Figuren. Nach 3 Jahren Beziehung entschließen sich die beiden Protagonisten Celine und Luke eher spontan dazu zu heiraten. Weder der Antrag noch das, was die beiden über die Beziehung und den jeweils anderen zu sagen haben, zeugt von romantisch-überschwenglicher Liebe, die Entscheidung scheint schnell eher zweifelhaft und ob der große Tag je stattfinden wird, ist auch nicht sicher – vor allem ist man sich selbst nicht sicher, ob man auf das große Happy-End hofft oder stellvertretend nicht eher schreiend wegrennen will. Der Plot kreist nun um diese Entscheidung sowie die Beziehung und das Liebespaar, aus fünf verschiedenen Perspektiven in fünf Kapiteln werden diese genauso beleuchtet und kommentiert wie die Beziehungen und die Haltungen zu Themen wie Liebe, Sex und Sexualität der anderen Figuren: Wie werden Beziehungen heute ausgehandelt und wie gelebt? Welche Rolle spielen Erwartungshaltungen – die eigenen und die der Gesellschaft – und tradierte Rollenvorstellungen? Und vor allem: Werden Celine und Luke am Ende heiraten?
Naoise Dolan spürt brandaktuellen Fragen auf subtile, amüsierende, zum Haare raufende Art nach und gelangt zu einem zutiefst authentischen und möglicherweise auch besorgniserregenden Bild, aus dem jeder seine eigenen Schlüsse ziehen mag und dass vielleicht auch etwas Trost spendet.
Für mich ist der Roman eine Milieu-Studie, die treffender nicht sein könnte. 5 von 5 Sternen.