Rezension

Irgendwie fehlt der Funke...

Jade City - Familie ist Pflicht
von Fonda Lee

Bewertet mit 3 Sternen

+ Magiesystem, Parallelen zu unserer Weltgeschichte & -politik - unsympathische Figuren, zu langatmige Erzählweise, stellenweise langweilig

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

 

Aufmachung:

Zur Buchgestaltung kann ich gar nicht viele Worte verlieren, denn sie gefällt mir wieder einmal einfach nur gut. Die grüne Grundfarbe passt natürlich hervorragend zur Jade, die hier eine große Rolle einnimmt. Gut gefällt mir auch das runde Ornament, durch das man wie durch ein Fenster den Scherenschnitt einer Stadt, deren Gebäude an die Ostasiens erinnern, sieht, davor eine Jadekugel, die wiederum umrahmt ist von Flügeln. Um diesen Kreis herum ist der Titel.

Die Innenklappen sind wie das Cover selbst grün-marmoriert gestaltet, sonst findet man dort weiter nichts. Zu Beginn des Buches befindet sich aber eine Karte der Insel Kekon sowie eine detaillierte Karte der Stadt Janloon, anhand derer man auch ablesen kann, welche Stadtteile zu welchem Clan gehören. Das hilft beim Lesen sehr bei der Orientierung. Danach folgt eine Auflistung der wichtigsten Figuren.

 

 

Meine Meinung:

Ich habe aus dem englischsprachigen Bookstagram und vor allem auch von einer sehr guten Freundin von mir, die einen ähnlichen Lesegeschmack hat wie ich, bisher ausschließlich Gutes über die „Jade Saga“ gehört. Insofern habe ich mich natürlich riesig gefreut, dass der Knaur-Verlag die Übersetzung herausbringt und dass ich den ersten Teil lesen und rezensieren durfte.

Vielleicht waren meine Erwartungen an „Jade City“ etwas zu hoch, denn letztlich bin ich leider eher enttäuscht aus dem Buch gegangen.

 

Das liegt zum einen an dem Plot. Liest man den Klappentext, kann man sich schon ein wenig denken, dass die Clans und die Familien Kaul und Ayt, sowie die jeweiligen Strukturen darin eine große Rolle in der Handlung spielen werden, dass es um mafiaähnliche Verhältnisse geht, blutig werden kann und vielleicht auch politisch angehaucht ist.

Ich bin normalerweise ein großer Fan von politischer Fantasy mit vielen Intrigen, bei denen es gerne auch mal gefährlich und blutig zugehen darf. Zudem bin ich eine stark figurenfokussierte Leserin – darauf, dass die Familien hier anscheinend so eine große Rolle spielen, da sie sich miteinander im Krieg befinden, habe ich mich also sehr gefreut. Hinzu kommt dann auch noch das Fantasyelement der Jademagie, und ich habe ein großartiges Epos erwartet, das vielleicht durchaus anfangs seine Zeit braucht, bis es sich entwickelt, dann aber nicht mehr loslässt.

 

Als ich dann also gut 100, dann 200 Seiten gelesen habe, und es war noch nicht allzu viel passiert, habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich lese ja häufig Fantasy und gerade bei Welten, die so kompliziert sind wie diese hier, ist es ja auch notwendig, dass sich das Buch nur langsam aufbaut.

Nach 300 oder 400 Seiten hätte ich mir dann aber schon mehr Spannung gewünscht. Versteht mich nicht falsch: Es gibt durchaus einige Momente, in denen das Erzähltempo angezogen wird und während derer man sich nicht vom Buch lösen kann. Jedes Mal, wenn man dann also glaubt, dass es jetzt endlich losgeht, flacht die Spannung aber wieder ab und es wird sich gefühlt nur unterhalten, oder irgendwer ist auf dem Weg nach irgendwo, oder die Figur, aus deren Sicht das Kapitel gerade geschrieben ist, denkt seitenlang über irgendein Thema nach. Man verliert dabei schnell wieder das Interesse und bekommt das Gefühl, dass die Handlung nur auf der Stelle tritt.

Kurz: Das Buch hat mich auf lange Sicht also schlicht nicht mitreißen können.

 

 

Dabei wäre das Potenzial dagewesen!

Die Machtstrukturen sind, wie gesagt, im Normalfall genau mein Ding, und auch das Magiesystem ist faszinierend. Man braucht nicht lange, um zu verstehen, wie genau die Jade die Grünblutkrieger stärker macht, aber im Laufe der Handlung lernt man trotzdem immer mehr dazu, bspw. welche unterschiedlichen Kraftausprägungen es gibt oder wie die Geschichte der Grünblutkrieger aussieht. Einiges bleibt noch offen, aber ich denke, da verschaffen die Folgebände noch mehr Klarheit.

 

Auch die Kultur Kekons, die augenscheinlich stark an die japanische angehaucht ist, sowie seine Geschichte, die Politik und die Beziehungen zu anderen Ländern, die bspw. an die USA (Espenia) erinnern, und wo sich Parallelen zu unserer Globalpolitik und -geschichte erkennen lassen, sowie die Bewohner der Hauptstadt Janloon und ihre Traditionen und Werte sind allesamt mit so viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, dass man sich magisch an diesen fiktiven Ort versetzt fühlt und dabei leicht vergessen könnte, dass es sich hierbei nur um eine Geschichte handelt.

Das geht nur eben leider dadurch verloren, dass man sich von dem Inhalt eher gelangweilt fühlt.

 

 

Damit hängt aber auch mein nächster Kritikpunkt zusammen: die Figuren. Lediglich die Kapitel aus Andens Sicht konnte ich genießen, da er die einzige Figur war, mit der ich warm wurde. Zu allen anderen ließ sich entweder die Distanz nicht überbrücken, so Shae, oder sie waren mir schlicht unsympathisch (vor allem Lan und Bero) – und zwar nicht auf die gute Art, die daher rührt, dass die Figuren eben keine Sympathieträger sein sollen und die Charakterisierung dementsprechend gelungen ist, sondern einfach auf die nervige Art.

Alle anderen Figuren waren mir daneben zu blass, zu eindimensional, sodass ich auch da niemanden finden konnte, über dessen Anwesenheit ich mich gefreut hätte. In manchen Fällen waren die Figuren sogar so austauschbar ausgestaltet, dass ich mir noch nicht einmal merken konnte, wer nun wer ist, insbesondere bei den Maik-Brüdern. Da half selbst das Personenregister am Anfang nicht.

Das ist bei einem Buch, das vor allem auch von den Beziehungen der Figuren untereinander lebt, natürlich fatal. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, weshalb mich die Geschichte nicht so wirklich mitreißen konnte.

 

 

Abschließend will ich nun aber noch einmal betonen, dass ich „Jade City“ trotz aller Kritik nicht schlecht fand, im Gegenteil! Gerade das Magiesystem und das Worldbuilding haben mir ja sehr gefallen, und auf den letzten paar Seiten wird es auch durchaus noch sehr spannend. Bis dahin musste ich allerdings vor allem im Mittelteil schon kämpfen; die meiste Zeit war ich dann doch mehr oder weniger gelangweilt. Ich schätze, meine Erwartungen waren einfach viel, viel zu hoch, und vielleicht haben mir hier die Mafiavibes doch nicht so gut gefallen. Ob ich die Fortsetzung lesen möchte, weiß ich noch nicht.

 

 

Fazit:

Ich bin mit extrem hohen Erwartungen an das Buch herangegangen und wurde dann leider enttäuscht.

Zwar können das Magiesystem und das Worldbuilding überzeugen, aber der Großteil der Figuren und vor allem der Plot konnten mich leider nicht abholen. Ich konnte entweder keine Bindung aufbauen, war genervt, oder gelangweilt. Bei 650 Seiten High Fantasy rechne ich durchaus mit einem längeren Einstieg, aber bis hier mal etwas Mitreißendes passiert, muss man schon sehr viel Geduld aufbringen.

Nichtsdestotrotz, wie gesagt, ein starkes Fundament, das mich vielleicht mehr hätte überzeugen können, wenn ich andere Erwartungen gehabt und wenn die Umsetzung dieses Mafiadings mich hier mehr angesprochen hätte.

Daher gibt es von mir trotz aller Kritik noch 3/5 Lesehasen, aber ob ich die Fortsetzung lesen möchte, muss ich mir noch überlegen.