Rezension

Kunstvolle Literatur

Susanna -

Susanna
von Alex Capus

Bewertet mit 5 Sternen

In seinem neuen Werk „Susanna“ widmet sich der Autor Alex Capus dem Leben der schweizerisch-amerikanischen Malerin und Bürgerrechtsaktivistin Susanne Faesch. Die Handlung des Romans ist eine fiktionalisierte Version ihrer Biografie und bringt den Lesern Leben und Wirken dieser emanzipierten Frau auf literarisch anspruchsvolle und unterhaltsame Weise näher.

Die Geschichte spielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den expandierenden USA. Wichtige Themen, die in diesem Roman problematisiert werden, sind neben der Emanzipation auch der gesellschaftliche Einfluss von Technik und Wissenschaft und der gegen die amerikanischen Ureinwohner gerichtete Kolonialismus. Susanna ist dabei keine gewöhnliche Frau, die sich stumm allen Konventionen hingibt, sondern findet als Pionierin der eigenen Art ihre Wege im Leben. Weder teilt sie die gesellschaftliche Euphorie rund um den technischen Fortschritt, noch akzeptiert sie die kulturelle Aneignung, Ausbeutung oder Vernichtung der indianischen Kultur. Susanna wird als selbstständige Protagonistin dieses Romans dargestellt, die nicht „im Takt der Maschinen“ geht, sondern gesellschaftliche Verhältnisse kritisiert. Dabei begegnet sie den Lesern als eher stille, extrovertierte Frau, die dennoch einen starken, vorwärtsdrängenden Willen hat. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt durch den klaren Satzbau mit vielen kurzen Sätzen, Parallelismen und wenig wörtlicher Rede. Durch den gradlinigen und geordneten Satzbau wird zum einen die nüchterne Gleichförmigkeit des Alltagstrotts abgebildet, dem sich der Großteil der Gesellschaft unkritisch fügt, und zum anderen bekommt so Susannas eher nüchterne und pragmatische Sicht auf die Welt eine treffende Ausdrucksform. Text und Inhalt ergänzen sich somit auf kunstvolle Weise und die Kunst bleibt nicht nur Teil der Romanhandlung sondern wird auch zum stilistischen Gestaltungsmerkmal.

Trotz dieses unverkennbar literarischen Anspruchs liest sich „Susanna“ dennoch sehr unterhaltsam und kurzweilig. Die Sprache ist melodiös und teilweise mit einem leicht ironischen Unterton versehen, der einem beim Lesen die Protagonistin auf sympathische Weise näher bringt. Allerdings tritt sie erst in der zweiten Hälfte des Romans, etwa ab S. 100, wirklich in Erscheinung. Vorher sind sowohl Susanna als auch andere weibliche Charaktere Randfiguren der Handlung und es dominiert die männliche Perspektive. Dass sich dieses dann in der zweiten Hälfte des Romans ändert und nun Susanna zur personalen Erzählerin wird, verdeutlicht ihre Geschichte einer Emanzipation von gesellschaftlichen Konventionen. Sie nicht bereit, sich unter das Joch der männlich dominierten Gesellschaft oder der Technik zu begeben und findet in der Kunst einen Weg, ihren Gedanken Ausdruck zu Verleihen. Ein wichtiger Aspekt ist ihr dabei die Authentizität der Darstellung, was sich auch im Hinblick auf ihre bürgerrechtsaktivistischen Bestrebungen niederschlägt. Anstelle der kulturellen Aneignung oder gar Vernichtung der indianischen Traditionen plädiert sie für eine friedliche kulturelle Koexistenz. Diese Erkenntnisse vermittelt der Roman aber nicht explizit, sondern deutet vieles nur an, lässt Leerstellen und Raum für eigene Interpretationen. Auch das Ende bleibt offen und vage, sodass sich erneut eine im doppelten Sinne kunstvolle Verbindung von Text und Inhalt ergibt.

Zusammenfassend ist „Susanna“ gleichermaßen unterhaltsam und lehrreich. Die reale Biografie dieser fortschrittlichen, selbstständigen Frau ist von Alex Capus in einem unterhaltsamen und literarisch anspruchsvollen Roman verarbeitet worden, sodass die Leser zum einen die historisch reale Künstlerin und ihren Lebensweg kennenlernen, zum anderen aber auch unabhängig davon zum Nachdenken über gesellschaftliche Probleme angeregt werden, die auch heutzutage noch aktuell sind. Durch das Zusammenspiel von Text und Inhalt entsteht so eine im doppelten Sinne „kunstvolle Literatur“.