Rezension

Von Emazipation bis Geistertanz

Susanna -

Susanna
von Alex Capus

Bewertet mit 5 Sternen

1844 kommt Susanna Faesch als jüngstes von vier Kindern von Anna und Lukas Faesch in Kleinbasel zur Welt. Bereits als Kind zeigt sie ein selbstbewusstes, aber ungewöhnliches Verhalten. Susannas Mutter, die unglücklich in der Ehe mit dem zwar wohlhabenden, aber selbstverliebten und oft in Kriegsdiensten abwesenden Lukas ist, folgt dessen Söldnerkameraden, dem Arzt und Revolutionär Karl Valentiny, nach Amerika und nimmt einzig ihre Tochter mit. In Brooklyn zeigt Susanna ihr großes Talent für die Kunst und beginnt Portraits zu malen, was sie unabhängig macht. Während ihre aus pragmatischen Gründen geschlossene Ehe bald wieder geschieden wird, bekommt sie einen Sohn aus einer Affaire. Von ihrem intellektuellen Stiefvater beeinflusst, wendet sie sich den amerikanischen Ureinwohnern und ihrer traurigen Geschichte zu und tritt mit ihrem Sohn Christie eine große Reise an, um den legendären Stammeshäupting Sitting Bull zu warnen....

In seinem neuen biografischen Roman wendet sich der Schweizer Autor Alex Capus der schon fast in Vergessenheit geratenen Künstlerin und Bürgerrechtlerin Caroline Weldon zu, die unter dem Namen Susanna Carolina Faesch in Kleinbasel zur Welt kam.Doch quasi nebenbei schildert Camus einen großen Epochenumbruch, die bürgerlich-revolutionären Erhebungen gegen politische und soziale Strukturen in Europa, die Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner und nicht zuletzt ein Stück Emanzipationsgeschichte.

Wieder einmal bestechend für mich ist der unglaublich poetische, teils überraschend ironische Schreibstil, der mich vollkommen in seinen Bann zog. Oftmals blieb ich an einzelnen Sätzen oder Abschnitten hängen, die mich amüsiert auflachen ließen oder in weitere Gedanken hineinzogen. LIebevoll und detailgetreu beschreibt Camus manche Kleinigkeiten, um dann wieder Jahre zu überspringen, wobei er doch nie das große Ganze aus den Augen verliert. So unaufgeregt und ruhig die Erzählweise auch ist, so stark konnte der Autor mich wieder in seinen Bann ziehen. Lediglich das abrupte Ende mitten in der Begegnung mit dem großen "Chief" ließ mich ein wenig frustriert zurück - hier hätte ich zu gerne noch weitergelesen!

Wenn gleich Camus sich seinen Figuren eher von außen als durch ihr Innerstes nähert, bekommt der Leser doch einen tiefen Einblick in ihre Psyche. Hierzu springt die Erzählersicht ab und zu auf unterschiedliche Protagonisten, was mir durchaus gefiel.

Der gut recherchierte zeitliche Hintergrund, die sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts, aber auch das Schicksal der indigenen Bevölkerung, ihre Geistertänze als Krisenkult wurden auf höchst unterhaltsame Art und dennoch sehr einprägsam dem Leser nähergebracht.

Mit "Susanna" beweist ALex Capus wieder einmal seine Klasse.
Ich vergebe (mit einem halben Punkt Abzug aufgrund des ENdes) 4,5 Sterne.