Rezension

Leander Lost als Super-Held

Einsame Entscheidung -

Einsame Entscheidung
von Gil Ribeiro

Bewertet mit 5 Sternen

Leander Lost sollte ursprünglich nur für ein Austauschprogramm der deutschen und portugiesischen Polizei nach Fuseta an der Algarve kommen. Doch mit der für ihn geschaffenen Planstelle und seiner privaten Beziehung zu den Rosados scheint er dort das große Los gezogen zu haben. Seine Kollegin  Graciana  blockt souverän evtl.  Sticheleien der Kollegen gegen Senhor Léxico ab und privat ist ihre Schwester Soraia die Geduld in Person im Umgang mit "ihrem" Asperger Autisten.

Das Team um Graciana Rosado hat im Fall eines Mordes an dem Briten Jack Brent zu ermitteln, bei dem sich offenbar jemand große Mühe gab, am Tatort Spuren zu beseitigen und Beweismittel zu fälschen.  Dass der Aufenthalt einer verdächtigen Person an angeblich zwei Orten gleichzeitig mit technischen Mitteln zu beweisen ist, hatten die portugiesischen Ermittler bisher nicht für möglich gehalten. Der Ermordete und seine Kollegin Antonia arbeiteten für ein Chemieunternehmen, dass verdächtig hastig noch vor den Brexit-Verträgen einen Wunderdünger am Markt etablieren will. Es geht hier um das ganz große Geld, die Ernährung der Weltbevölkerung und die gesundheitlichen Folgen des Projekts.

Der Fall sorgt auf politischer Ebene für so große Aufregung, dass dem Team im beschaulichen Fuseta prompt ein Sonderermittler aus Lissabon vor die Nase gesetzt wird und zunächst schwer einzuordnen ist. In einem chaotisch wirkenden Setting, scheint Lost die einzige Konstante zu sein. Es kommt zu einer filmreifen Verfolgungsjagd, in der Leander Lost, stets im schwarzen Anzug (weil er mit dieser Wahl nichts falsch zu machen glaubt) zum ebenso filmreifen Super-Agenten wächst.

Neben Krimihandlung und atmosphärischer Schilderung der Algarve werden auf leisen Sohlen philosophische Betrachtungen eingeschoben. Thematisiert werden die Wahl zwischen Großstadt und Provinz,  Glück contra Karriere, Diversität im Team und in der Familie, sowie Mentoren für die jüngere Generation. Der so direkte und berechenbare Leander Lost muss sich einmal mehr mit dem Problemkreis des Lügens auseinandersetzen, aktuell erweitert durch „Verrat“. In einer lebensgefährlichen Situation  müssen seine Kollegen wiederum darauf bauen können, wie Leander entscheiden würde.

In die Aufklärung des komplizierten Falls fügt „Gil Ribeiro“ zu Anfang geschickt kurze Charakterisierungen aller Figuren ein, so dass Leser auch nach langer Pause wieder in Fuseta Fuß fassen können. Interessante Nebenfiguren waren für mich u. a. Gracianas Vater Antonio, die Quasi-Adoptivtochter Zara und die Kriminaltechnikerin Isadora. Besonderen Spaß gemacht hat mir der generelle Wettlauf zwischen Provinzpolizisten und hauptstädtischem Eingreifen - und wer am Ende mit den besseren Menschenkennern oder IT-Spezialisten auftrumpfen kann.

Vielschichtig, atmopshärisch, spannend, humorvoll.