Rezension

Leben und Überleben als Arbeiterin

Die Frauen von Kopenhagen -

Die Frauen von Kopenhagen
von Gertrud Tinning

Bewertet mit 4 Sternen

Schauplatz der Geschichte ist die Rubens Tuchfabrik in Kopenhagen, die von 1857 bis 1927 tatsächlich existierte und zu den größten Arbeitgebern für Frauen zählte. Die Protagonistin Nelly Hansen muss mitansehen, wie ihre Schwägerin durch Fahrlässigkeit der Fabrik einen schweren Unfall erleidet und will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Eines Tages tritt der Nachbar und Werftarbeiter Johannes in ihr Leben.

Welche Umstände den Jütländer nach Kopenhagen verschlagen haben, erfahren wir im zweiten Teil, der auf seinem elterlichen Hof spielt. Auch auf dem Land führen Frauen wie seine Schwester Anna ein arbeits- und entbehrungsreiches Leben und werden an reiche Bauern verschachert, um die Existenz der Familie zu sichern.

Ab da nahm die Geschichte eine Wendung, die ich nicht erwartet hatte. Ich war etwas enttäuscht, dass Nellys Versuch, die Weberinnen für den Kampf um ihre Rechte zu mobilisieren, und die Anfänge der Frauen-Arbeiterbewegung nur am Rande behandelt werden. Sehr detailliert und authentisch beschreibt Gertrud Tinning dagegen anhand Annas Odyssee durch Kopenhagen die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen zur Zeit der Industrialisierung, die Armut, Ausbeutung und sozialen Ungerechtigkeiten.

Sehr aufschlussreich fand ich das Nachwort, in dem sie erläutert, von welchen realen Personen und Ereignissen sie sich inspirieren ließ. Sie zeichnet ganz typische Schicksale von Arbeiterinnen und macht uns die bedeutenden Errungenschaften der Arbeiterbewegung und Sozialdemokraten bewusst.