Rezension

MeToo Incels und Korruption

Die letzte Nacht -

Die letzte Nacht
von Karin Slaughter

Bewertet mit 4.5 Sternen

'Es ist schon ewig her, dass du etwas von Karin Slaughter gelesen hast', dachte ich mir. 'Das solltest du mal ändern, und dieser Einzelband klingt vielversprechend!'

Tja. Dass es sich hier tatsächlich um den elften Band einer Reihe handelt, war mir nicht bewusst. Aber immerhin kann ich jetzt attestieren, dass es durchaus möglich ist, «Die letzte Nacht» ohne Vorkenntnisse zu lesen, auch wenn dadurch sicher viele Feinheiten an mir vorübergingen. Mea Culpa! Ich gelobe, die ersten Bände nachzuholen.

Die Handlung beginnt mit einem hohen Maß an Spannung und weiß bis zum schlüssigen Ende durchweg zu fesseln, mit einigen überraschenden Wendungen und einem dramatischen Finale. Da Karin Slaughter hier über Themen spricht, die auch in der Realität brutal und grausam sind, nimmt sich der Thriller nicht zurück und beschönigt nichts. Das ist intensiv, realitätsnah – und oft schwer zu lesen, auch wenn es meines Erachtens mitnichten reißerisch übersteigert wird.

Die Handlung ist logisch aufgebaut und bietet einen so gelungenen wie erschreckenden Einblick in die Abgründe der menschlichen Natur, sei es nun rohe Gewalt oder organisierte Kriminalität. Gleichzeitig erkundet der Roman die zarteren Elemente der menschlichen Psyche mit Subtilität und Feingefühl. Dem Schreibstil gelingt dieser Drahtseilakt mit Bravour, sodass die Lektüre sowohl fesselt als auch berührt.

Die angesprochenen Themen sind gleichzeitig brandaktuell und zeitlos, vor allem (sexuelle) Gewalt gegen Frauen, Incel-Kultur und Me-too.

An den Charakteren merkt man, dass es sich hier nicht um den ersten Band handelt: Sie haben alle ihre persönlichen Vorgeschichten, die mal dezent durchklingen, mal ausdrücklich referenziert werden. Die Beziehungen der wiederkehrenden Figuren sind komplex und vielschichtig, und das bietet einen reichen Nährboden für überzeugende Charakterentwicklung. Besonders Sara Linton macht eine tiefgründige Reise durch.

Fazit:

Der Thriller weiß mit spannendem Aufbau, fesselndem Erzähltempo und gelungener Darstellung sensibler Themen zu überzeugen, und der angenehme Schreibstil hält die verschiedenen Stränge der komplexen Handlung gekonnt beisammen.